Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Stimmung des neavolitaniſchen Hofes gegen Frankreich. LT

mi Frankreich erſt Waſffenſtillſtand*), dann Frieden geſ<lofſen*®*), aber, zu ohnmächtig, uu die Republik mit Nachoru> zu bekämpfen , gegen ſie im Stillen immer feindſelige Geſinnungen bewahrt. Der König Ferdi= nand IV.***), niht ohne natürliche Anlagen, aber ſ{hle<t erzogen, un= wiſſend, und nur an körperlichen Erholungen Geſhmad> findend, war mit der Erzherzogin Marie Caroline von Oeſterreich, einer Schweſter der unglü>lihen Marie Antoinette, vermählt. Beide hatten vor der Nevo= lution, wie damals ſo viele Großen, in Nachwirkung Rouſſeau'ſcher Theorien , ſo lange dieſe nur Theorien bleiben wollten, philanthropiſche und liberale Abſichten gehegt, in der Staatsverwaltung und der Volks= erziehung manche Verbeſſerungen angeſtrebt , waren aber bei allem guten Willen aus Mangel an Einſicht und Kraft nicht über die erſten Verſuche hinausgekommen. Die furchtbare Wendung, welche die Revolution nahm, der Untergang Ludwig XVI. und Marie Antoinette's, und das Hervortreten franzöſiſcher Grundſäte in Italien brachten in den früheren Anſichten des neapolitaniſchen Königspaares eine volllommene Umwanz delung hervor. Nicht nur daß alle begonnenen Reformen aufgegeben wurden, ſondern der finſterſte Geiſtesdru> und die härteſte Willkühr nahmen die Stelle des Verlangens nah Aufflärung, und der Ausübung uilder Regierungsmaximen an.

Der glühendſte Haß machte ſich ſeitdem gegen Alles, was an das Frankreich der Revolution erinnerte, am neapolitaniſchen Hofe ‘geltend, Franzöſiſche Zeitungen, Bücher , Moden wurden wie die Peſt gemieden, und möglichſt fern gehalten. Dennoch hatten ſi, anfänglich nur die Ideen der konſtitutionellen Monarchie , ſpäter, als dieſe unter einem Kö= nige wie Ferdinand TY. unmöglich zu ſein ſcien, die der Republik, unz ter einem Theile des großen Adels, der höheren Geiſtlichkeit, und faſt dur<gängig unter dem gebildeten Mittelſtande verbreitet, während der niedere Klerus, der kleinere Adel und die große Mehrheit des Volkes der unumſchränkten Regierungsgewalt, und den mit ihr beſtehenden Einrichz tungen ergeben blieben. Beſonders war dies mit dem zahlreichen haupt= ſtädtiſhen Pöbel, den ſogenannten Lazzaronen, der Fall, bei denen der König Ferdinand, weil er gelegentlih ihre Sprache redete und ihre Sitten annahm, perſönlich beliebt war. Uebrigens war ein ſolcher Pöbel mehr oder weniger an allen größeren Orten des Landes vorhanden, und

*} 5. Junius. ##) 10. Oktober. ®**) Später Ferdinand L., König beider Sicilien, genanut.