Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

236 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

ſtehenden. — Dieſe beiden Richtungen der Thätigkeit jener großen Friedensverſammlung liefen ziemlich unabhängig neben einander hin, und drohten nur auf einem Punkt, in Bezug auf das Schi>fſal des Königreichs Sachſen und des damit verbunden geweſenen Herzogthumes Warſchau, ſich zu verwirren. Die Anordnung der allgemeinen europäiſchen Ver= hältniſſe war verhältnißmäßig leiht, indem ſie theils von der Natur der Dinge geboten, theils im Voraus im erſten Pariſer Frieden entſchieden worden. Was die deutſchen Zuſtände betrifft, ſo war die Aufgabe eine der ſchwierigſten, die es je gegeben, aber auh die Löſung eine der am wenigſten gelungenen.

Die Gränzen Frankreichs ſind bei Gelegenheit des erſten Pariſer Friedens erwähnt worden. Es trat hierin eben ſo wenig wie bei Spa= nien und Portugal eine Veränderung ein.

Was Italien betrifft, ſo erhielt der König von Sardinien das Ge=

biet der ehemaligen Republik Genua , unter lebhaftem Widerſpruch der

damit unzufriedenen Bevölkerung, die, den Verſprechungen des Lord William Bentink auf Wiederkehr der früheren Zuſtände trauend , venſelben Anfang März (1814) in einer Zeit, als jede Diverſion gegen Napo= leon noh ihre Bedeutung hatte, mit 9000 Mann engliſcher Truppen in ihre Stadt aufgenommen hatte.

Der Kongreß {lug das Genueſiſche zu den ſardiniſchen Staaten, um dieſelben zu kräftigen, und an ihnen eine Vormauer gegen Frankreich auf dieſer Seite zu gewinnen. Die Stadt Genua ward, um ſie einiger= maßen zu entſchädigen, zu einem Freihafen erklärt, und der Municipalität der alte Titel : Senat — verliehen, obgleich ſie na< wie vor nichts als eine ſtädtiſhe Verwaltungsbehörde blieb. Das Haus Savoyen, eine von den Dynaſtien, die am meiſten dur den Kampf gegen die Revolution gelitten, aber von jener Zeit an au< mehr kein Lebenszeichen von ſich gegeben hatte, ſah auf dieſe Art jene altberühmte Republik zu ſeinen Füßen, deren Unterwerfung es früher nie hatte hoffen können.

Oeſterreich trat in den Beſiß des Mailändiſchen zurü>, wie es ihm vom ſpaniſchen Erbfolgekrieg an gehört hatte. Es erhielt außerdem, als Entſchädigung für die verlorenen Niederlande , das Gebiet der ehemaligen Republik Venedig, die Hauptſtadt ſelbſt, die Terra ferma, Friaul, Jſtrien, Dalmatien, und Stadt und Gebiet Raguſa, die früher einen kleinen Freiſtaat unter türkiſchem Schutze gebildet hatten. Die joniſchen Inſeln, einſt eine Hauptbeſizung Venedigs, waren \{<on von England beſetzt worden , ſollten aber erſt ſpäter unter deſſen Schub geſtellt werden.

Dem Pabſt ward der Kirchenſtaat wiedergegeben, wie er vor dem