Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Reorganiſation der Schweiz. 241

an die Spiße dieſer Geſandtſchaft der damalige Landammann von Nein= hard aus Zürich geſtellt. Die neuen, damals noc nit allgemein aner=kannten Kantone beſaßen ebenfalls Vertreter ihrer Intereſſen in Wien, die jedoh bis zur endlichen Entſcheidung der ſ{hweizeriſchen Angelegenheiten mit keinem officiellen Charakter bekleidet waren.

Der Kongreß ernannte einen engeren Ausſcuß für die Schweiz, in welchem ſi der ruſſiſche Miniſter Graf Capo d'Iſtria, ein Grieche aus Korfu, ſchon damals durch ſeine freiſinnigen Meinungen bekannt, der Sache der neuen Kantone und überhaupt des Fortſchrittes in der Schweiz beſonders günſtig erwies. Capo d'Iſtria war gewiſſermaßen ſchon aus nationalem Inſtinkt zur Unterſtüzung jeder re<tmäßigen Emancipation geneigt. Noch mehr wirkte in dieſer Nichtung, obwohl nur in privater Stellung, ein ehemaliger Advokat aus Lauſanne, La Harpe, ſpäter ruſſiſcher General, der an der Erhebung des Waadtlandes gegen den Dru> des Berz ner Patriciats einen thätigen Antheil genommen hatte, Erzieher des Kaiſers Alexander geweſen, und dieſem Souverain werth geblieben war. Die Anſprüche Berns, des vornehnſten Hinderniſſes für eine Neugeſtaltung der Schweiz und eine Zeit lang von England befürwortet, wurden theils abgewieſen, theils dur eine Gebietsvergrößerung befriedigt, und es kam am 20. März die Enderklärung des Kongreſſes über die \{<weizeriſ<hen Angele=genheiten zu Stande. Die zweiundzwanzig Kantone ſollten, jeder ſouverain in Bezug auf Verfaſſung und Geſetzgebung, einen immerwährenden Bund, mit einer gemeinſamen Regierung für allgemeine Angelegenheiten und einer Vertretung aller Kantone, bilden. Der preußiſchen Krone ward das Schußrecht über das Fürſtenthum Neufchatel zurü>gegeben , das aber zuglei als Kanton in die Eidgenoſſenſchaft trat. Genf erhielt von Frank= reih und Sardinien einte Gebietsvergrößerung mit zwölſtauſend Seelen, damit es in unmittelbaren Zuſammenhang mit der Schweiz käme, was früher nicht der Fall geweſen war. Die urſprüngliche Schweiz hatte nur aus deutſchen Elementen beſtanden. Degt trat dur die Kantone Genf , Neufchatel und Wallis eine bedeutende franzöſiſhe Miſchung, und in dem Kanton Teſſino ein italieniſcher Beſtaudtheil hinzu. Die Tagesſaßung in Zürich nahm am 27. Mai die Erklärung des Wiener Kongreſſes an, deſſen Beſtimmungen bis zu den Erſchütterungen des Jahres 1830, obgleich unter immerwährender Eiferſucht der verſchiedenen Parteien gegen einander und geheimen Verſuchen der Störung, gültig blieben. Obgleich vieles Alte wiederhergeſtellt wurde, ſo kann man doh behaupten , daß in Bezug auf den die Schweiz von dieſer Epoche an be=lebenden Geiſt die Anhänger des Neuen den Sieg davon getragen hatten.

Veer, Weltgeſchichte. 8 Aufl. XVI. 16