Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

ihrerseits wieder leblos wären ohne ihre Gesamtheit und Ganzheit; und selten an irgend einer Stelle im Bereich menschlicher Erkenntnis leben so Teile und Ganzes ineinander wie in der Physiognomie, selten ist ihr Zusammenhang so einsichtig, d. h. gewährt so einleuchtenden Einblick wie hier.

Die Einsichtigkeit besteht indes nur für den Zusammenhang von Ausdruck und Seelenstimmung, von Physiognomie und Charakter, nicht aber für den von Körperbau und Charakter. Dieser ist nur nach der Methode der objektiven Erfahrungswissenschaften zu ergründen. Hier sind es noch zwei weitere Wissenschaften, die zur Erkenntnis dieses Zusammenhanges beitragen: die Lehre von der inneren Sekretion und die Rassenforschung.

Die Lehre von der inneren Sekretion hat engen Zusammenhang mit den Typenlehren. Es gibt im menschlichen Körper Drüsen ohne Ausführungsgang, die ihre Absonderungen, sogenannte innere Sekrete oder Hormone, direkt ins Blut ergiefßen und mit winzigsten Quantitäten unermeßliche und ganz spezifische Wirkungen im Organismus erzielen. So hat die Schilddrüse mit ihrem Sekret den größten Einfluß auf das Tempo des Stoffwechsels und der nervösen Vorgänge; ein kleines Zuviel an Schilddrüsensaft und es entsteht die Basedow-Krankheit mit ihrem aufgeregten Gesichtsausdruck und ihren Glotzaugen. Dagegen ein kleines Minus an innerem Sekret der Nebenschilddrüsen und es tritt die Krampfkrankheit oder Tetanie auf.

Auf die Ausbildung der Kretschmer-Typen sind die Hormone von größtem Einfluß, wofür wir sogleich ein Beispiel geben, das uns auch zeigt, von welch ganz anderer Art die Aufschlüsse der physiologischen Forschung sind als die der Ausdruckslehre. Wir erfahren, welcher Mißbrauch mit dem Begriff Ausdruck überhaupt getrie-

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