Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

Bücher wie „Die Mimik des Denkens“ von Sante de Sanctis oder das ausgezeichnete Werk von Krukenberg über den „Gesichtsausdruck des Menschen“, worin er, ganz im Sinne unserer Methode, über Piderit hinaus eine Reihe neuer Ausdruckszüge beschreibt, so z. B. manche der Nase.

Aber der Anstoß zum Fortschritt kam zunächst von einem ganz anderen Gebiet als dem der Physiognomik des Gesichtes. Wir lernen hier eine Richtung kennen, in der wir zum erstenmal die Lösung der Aufgabe angestrebt finden, die auch wir uns zum Ziel gesetzt haben: die tatsächliche Erdeutung eines Charakters aus gegebenen Ausdruckszügen. Ausdruck gibt es bekanntlich nicht bloß in der Physiognomie, sondern auch in den Werken des Menschen, ja, wie schon Goethe aussprach, in der Art, sich zu kleiden und seine Umgebung einzurichten. Ein solches Werk, das gleichsam einen kristallisierten Niederschlag von Ausdrucksbewegungen darstellt, ist die Handschrift.

Einen mächtigen Auftrieb erfuhr nicht nur die Ausdrucksforschung, sondern auch die Ausdrucksdeutung durch die Graphologie, die Handschriftdeutung. Nachdem sie ein Stadium der „Zeichendeutung“ durchgemacht hatte, in dem einzelnen handschriftlichen Ausdruckszügen eindeutig ziemlich komplizierte Charakterzüge zugeordnet wurden, gelangten spätere Autoren allmählich dazu, in der Handschrift, ganz wie wir es für unser Gebiet andeuteten, erst einmal die Merkmale der einfachsten Charakterzüge aufzufinden. Es wurde so ein Zusammenhang etwa der Schriftgröße mit dem aus sich Herausgehen des Schreibers im allgemeinen, mit seiner Unternehmungslust, seiner Begeisterungsfähigkeit, seinem Selbstgefühl aufgefunden; die Neigung der Schrift entspricht der Zu- und Abneigungsfähigkeit des Charakters,

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