Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Gouvernement geſtattete ihnen niht mehr die Wiederanſiedelung, ſondern ſchaffte ſie auf Regierungsfoſten wieder zurü> in die Türkei. Allmälig haben fi< aber die Coloniſten, welche man „Deutſche“ kaum mehr nennen kann, obgleich ſie nur ihre alte Mutterſprache reden und verſtehen, dennoch in die neuen Verhältniſſe gefunden und {lagen mit deutſher Beharrlichkeit und ruſſiſcher Unverfrorenheit aus denſelben heraus, was ſie können. Sie führen eine weit beſſere Wirthſchaft als die meiſten anderen Anſiedler, namentli< als die Franzoſen, welchen ſie ebenſo ſpinnefeind ſind, als dieſe ihnen. Sie bauen Mais, Kartoffeln, Gerſte und Roggen, den ſie dem Weizen ihrer überrheiniſhen Nachbarn vorziehen ; Weide für ihr Vieh haben ſie zur Genüge, an Brennmaterial fehlt es nict.

Ehe die Dobrudſcha nah Jahrhunderte langer Vernachläſſigung auf dem Wege der Coloniſation der Cultur zugeführt wurde, waren ihre Höhenzüge prächtig bewaldet. — Feder deutſche Bauer iſt aber bekanntlih ein fanatiſcher, rü>ſihtsloſer Holzverwüſter, und der Abſtand zwiſchen den bewaldeten Hängen und der baumloſen, ſonnverbrannten Ebene von Neurußland war zu augenfällig, als daß niht ſofort in die neuen Ankömmlinge die Manie der Axt gefahren wäre. Dieſer verfielen ſie alsbald vollſtändig ; unbarmherzig ſ{lugen fie ohne Wahl und Qual die ſtattlihen Schirmwälder nieder weit und breit ; das gefällte Holz fand in den Donauſtädten, namentli< in Tultſcha, ſtets willige Abnehmer, da die Preiſe billig waren, indem es do< im Grunde unredliher Aneignung entſtammte. Zulet wurde dieſe Freibeuterei ſelb den langmüthigen türkiſhen Behörden zu arg, und es folgte ein Verbot des Holzfällens, aber nux zum Verkaufe. Es fehlte niht viel, daß die deutſchen Colonen deshalb eine Revolution angezettelt hätten ; glüclicherweiſe beſannen ſie ſi<h rechtzeitig eines Beſſeren. Sie gehen jeht niht mehr ſo offen zu Werke wie früher, aber Holz annectiren ſie doh, und wohin ihr Arm reiht, ſind die Wälder unwiederbringli< verloren. Dies iſ umſomehr zu bedauern, als der ganze nördlihe und weſtliche Theil der Dobrudſcha ein überaus waſſerarmes Land iſ ; es fehlt gänzli<h an Quellen, Bächen und Flüſſen ; meiſtens wird der Waſſerbedarf aus den Niederſchlägen in Ciſternen geſammelt; wo Ziehbrunnen angelegt werden können, müſſen dieſe überaus tief gegraben werden und liefern gewöhnli<h nur ein bra>iſhes (untauglihes) Waſſer. Mit der gedankenloſen Vernichtung der Wälder muß aber dieſer Uebelſtand in immer ſteigendem Maßſtabe zunehmen. Daran pflegt jedoch der Bauer nicht zu denken, in der Dobrudſcha ſo wenig wie anderswo; ſein Wahlſpruch lautet : „Nah uns die Sündfluth !“ nur überſeßt er etwas frei, —

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Der urſprünglichen Nationalität na< find die meiſten deutſhen Coloniſten Schwaben und ſprehen ihr heimatlihes Fdiom mit ſol<? unverfälſhtem Accent, daß der Wadeleswirth an ihnen ſeine helle Freude haben würde. Allerdings miſchen ſie auc ruſſiſ<he Ausdrüe ein, allein nur ſelten ; die Wenigſten verſtehen die ruſſiſche Sprache in genügender Weiſe, wie ſi< dies überhaupt bei allen deutſhen Anſiedlern im ſüdli<hen Rußland findet, die ſammt und ſonders mit merkwürdiger Zähigkeit an den alten Mutterlauten feſthalten. «Fn der Colonie Atmadſcha beſteht die Mehrzahl der Einwanderer aus Preußen der Provinz Poſen; ſie gehören meiſtens ſhon der zweiten und dritten Generation an; ihre Voreltern ſind in Folge der Befreiungskriege im Jahre 1815 na<h Rußland au8gewandert ; ſie haben ſi< mehrfa< mit den Schwaben vereinigt. Da die preußiſche Regierung dieſe Colonie fortwährend unterſtützt, ſo ſteht ſie in dem beſten Flor unter allen, ſie iſt au< der Bevölkerung nach die größte.

Außer Franzoſen und Deutſchen haben aber noh zahlreihe andere Nationalitäten von dem ſo oft beſtrittenen, Fahrhunderte hindurch geradezu verödeten Boden der Dobrudſcha Beſiß ergriffen. Vor ‘allen und am zahlreihſten die Tataren aus der Krim, welche ſi< dem Joche der ruſſiſchen Herrſchaft niht beugen wollten. Sie ſind ein gutmüthiger, dabei {lauer Menſchenſhlag, große Viehzüchter, ins8beſondere Roßkundige, aber dem eigentlihen A>erbaue abhold. Den Centralpunkt ihrer Anſiedlung bildet das große Dorf Gretſchi. Es wird gewiß intereſſiren, hier eine Anekdote mit Bezug auf dieſes harmloſe Volk zu vernehmen. Doctor Brenne>e, Realſchul-Director in Poſen und zuglei<h „Erzieher Sr. Exzellenz des Miniſters des Funern von Rumänien, Herrn Michael Cogolniceanu“ (ſo ſteht es in der Widmung geſchrieben) — hat, dem Drange ſeines Herzens und ſeiner Tinte folgend, im Fahre 1870 ein Buch über „Die Länder der unteren Donau“ verübt, in welchem unter andern hohergößlihen Schnurrpfeifereien Folgendes zu leſen ſteht: Fn Rückſicht (sic !) auf die Tataren wollen wir (plur. maj.) no< bemerken, daß ſie Le ihen verzehren. So iſt es neuli<h in Tultſcha, der Hauptſtadt der Dobrudſcha (falſch !), vorgekommen, daß ein Kind in Brot verba>en und aufgeſpeiſt worden iſt". — Dieſe in jeder Beziehung intereſſante Uebertragung der alten Sage von den Fuden auf die Mohammedaner, welchen, wie jenen, alles Unreine bekanntlih dur< ihr höchſtes Geſe verboten und ein Gräuel iſt, läßt, wie no< zahlreiche andere Stellen des Werkes, einen tiefen Bli> thun in die ſogenannte „Erziehung,“ welhe der Herr Miniſter von Rumänien unter der Aegide des guten Brenne>e empfangen zu haben ſo glü>li< geweſen ſein ſoll. Aus dieſer Kinderba>erei der