Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Die Velagerung von Kars und die Kämpfe in Armenien.

Nach der am 18. Mai erfolgten Einnahme von Ardahan hatte General Loris Melikoff} na<h Zurü>laſſung einer ſtarken Garniſon in Ardahan, den Marſh gegen Kars und Erzerum angetreten. Am 20. ſebte ſi derſelbe an der Spitze einer Colonne von acht Bataillonen Jnfanterie, aht Sotnien Koſaken und 14 Geſhüßgen in Bewegung und \<lug die Richtung gegen Kartſcha ein. Eben dahin rü>te General Dewel mit ſieben Bataillonen und einigen Gehüten. Jn Ar-

dahan blieb Oberſt Ko maroff mit ſe<s Bataillonen und genügender Artillerie zurü>. Der Vormarſh der beiden Colonnen vollzog ſi< in Folge des anhaltenden ſ<le<ten Wetters nur langſam, nahdem General Tſ\<hawt\<hawadſe dereits früher in die Gegend von Kars Recognoscirungen vorgenommen hatte, wobei mehrere

fleinere Gefechte ſtattgefunden hat- VL ten. Leider war in einem dieſer

Kämpfe der Ge- LINEA WS neralmajor im E SEA Gefolge des Kaiſers, Fürſt

Tſchelokajeff {wer verwundet worden, der au< in Folge ſeiner Stichwunde geſtorben iſt. Er ſtammte aus einer ſehr bedeutenden Familie aus Kachetien (Georgien) und war einer der {önſten Männer Gruſiens, was mit Rüfſicht auf die notoriſche allgemeine Schönheit der dortigen Bewohner viel ſagen will.

Die Beſabung von Kars beſtand beim Beginne des Krieges aus 29 Bataillonen Fnfanterie, einem Cavallerie-Regimente, einigen irregulären Reitern und fünf Batterien Feldartillerie. Am 2. April hatte jedo< bereits Mufkhtar Paſcha die bedrohte Feſtung mit einem Bataillone verlaſſen und die Richtung na< Tſcilkali (Tſchirzakli) eingeſchlagen.

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Raſchid Paſcha (Streer),

Artillerie-General,

Kars, die feſte Hauptſtadt ſrüher eines eigenen Ejalets, gegenwärtig eines Liwas im Ejalet Erzerum oder Türkiſch-Armenien, 24 Ml. im Nordoſten von Erzerum und 8 Meilen im Südweſten von der ruſſiſchen Grenzfeſtung Gümri oder Alexandropol, liegt 5862 Fuß hoc in der ausgedehnten baumloſen, aber reihli< bewäſſerten und fruchtbaren, mit Dörfern bede>ten Hochebene Schiragh, an der Oſtſeite ciner gewaltigen Felshöhe und am Kars-Tſchai oder Ufhueran, der hier im tiefen Thale gegen Norden, dann aber gegen Oſten in

den ruſſiſchen Grenzfluß Arpathai zwiſchen Gümri und den Ruinen von Ani fließt. Die mehrere Sto> hohen Häuſer ſind faſt ſämmtlih aus \{<warzen Baſaltquadern gebaut, die Straßen eng und \{<mußtig. Kars iſt der Siß eines Paſchas und eines armeniſchen Biſchofs, und beſonders als Wallfahrtsort der =Mohammedaner bekannt, indem ſich die Gräber mehrerer Heiligen und berühmte Moſcheen daſelbſt befinden. Den Grenzen Rußſands und Perſiens benahbart, hat die Stadt eine bunte Bevölkerung von Türken, Kurden, Armeniern, Georgiern und Perſern, die im Anfang des Fahrhunderts auf etwa 50.000 Köpfe geſhäßt ward. Die großen Wechſelfälle, die ſeitdem die Stadt erlitten, namentli<h aber die ruſſiſche Beſißnahme von 1828, haben ſie ſtark entvölkert, ſo daß ſie jezt nur no< 12.000 Einwohner zählt. Die Fnduſtrie des Ortes liefert nur für den eigenen Bedarf wollene Zeuge, Teppiche und Filze. Der Durhgangshandel iſ bedeutend; im Eigenhandel werden Bodenerzeugniſſe, Korn und Salz ausgeführt. Die Feſtung ſeit der Abtretung von Acalzik an Rußland als der Schlüſſel von

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