Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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wundete ni<ht verſchont. Gleicherweiſe brachen, mit donnerndem Hallogeſchrei, der wilden Jagd vergleihbar, die Tſcherkeſſenreiter von Oſten her in den Forſt und beſchoßen die Rückweichenden in der Flanke, meßelten wohl auh manche der Flüchtlinge nieder.

Doch auh die Ruſſen hatten, na<hdem ihr Zwe erreiht und ihre Haupttruppe aus dem Walde gezogen war, einen geordneten Rückzug an die Lom angetreten, ihre Tirailleurs am Südaus8gange des vielbeſtrittenen Gehölzes geſammelt, und ſandten von hier aus in guter De>ung no< manche todtbringende Kugel in die Reihen der Türken. Gegen Ende dieſes Waldgefe<htes fiel auh der Brigadier Feiſullah Paſcha, von ſieben Kugeln {wer verwundet, und von dieſem Augenbli>e an riß eine überaus große Verwirrung ein. Der ſchon erkämpfte Sieg wurde nicht weiter ausgenüßt, Erſizie nicht von dem Feinde geſäubert, au< keine Verfolgung desſelben eingeleitet, ſondern ſ<on in tiefer Dunkelheit der Rückzug dur< den finſtern Tann angetreten.

Der die Brigade führende Stabsoffizier marſchirte eiligſt auf Huzendze, wo kurze Raſt gehalten und, na<hdem man ſi< mit den dort zurü>gelaſſenen zwei Bataillonen vereinigt, auf Haſſanklar marſchirt wurde.

Mit Morgengrauen des folgenden Tages wurde eine Escadron des dritten Garde-CavallerieRegimentes beauftragt, die Leiche Aziz aufzufinden. Troy allen Suchens konnte aber der Körper des tapfern Generals niht aufgefunden werden.

Ueber das Betragen Aziz Paſchas an ſeinem lebten Lebenstage wurde gar viel ſeltſames gemunkelt. Während die Einen erzählten, er habe, erbittert über man<he Kränkungen, die ihm in letter Zeit durh Ahmed Ejubh bereitet wurden, den Tod geſucht, meinen wieder Andere, darunter auh der Serdar Mehem ed Ali, daß er in Folge eines Sonnenſtihs ſ{<wer erkrankt, faſt ohne Bewußtſein das ganze unſinnige Wagſtü> vollführt.

Da man vermuthete, daß die Ruſſen, welche möglicherweiſe in der Naht vom Donnerstag auf den Freitag dem Schlachtfelde einen Beſuch abgeſtattet, den Leihnam Aziz Pa \<has als eine Trophäe mitgenommen hatten, ſo ging ein Parlamentär, der Kolagaſſi Omes Effendi, an die ruſſiſhen Linien, um eine Auslieferung der Leiche des Generals zu verlangen.

Das Vorpoſtengefe<ht, in wel<hem Aziz Paſha gefallen war, iſ eines jener Gefechte auf der Süd- und Weſtſeite von Ruſtſhuk. Dieſe Gefechte, dur< wel<he das Vorrü>en der ruſſihen Hauptarmee auf Nuſtſhuk mit Erfolg aufgehalten wurde, hatten jedenfalls einen bi8her faum vermutheten ernſten Charafter; denn einmal

entging hier der Großfürſt-Thronfolger mit knapper Noth der türkiſ<hen Gefangenſchaft, ein anderes Mal fiel einer der beſten Generale der türkiſchen Armee.

Aziz Paſcha, im Jahre 1835 geboren in Kirkliſſa nächſt Adrianopel als der jüngere Sohn Abdullah Paſchas, war “Artillerie-General und Commandant der geſammten Feld-Artillerie. Seiner Bildung und geiſtigen Bedeutung nah nahm er einen erſten Rang unter allen türkiſchen Generalen ein. Aziz Paſcha, der ſhon Anfang der Fünfziger Fahre als Offizier die MilitärAkademie von Galata-Serai verlaſſen hatte, war eine in der öſterreichiſhen wie auh in der preußiſhen Armee wohl bekannte Perſönlichkeit, denn er hat faſt die Hälfte ſeiner Dienſtzeit in Wien, Linz und Berlin zugebra<ht. Jn der Mitte der Fünfziger Fahre wurde er von ſeiner Regierung nah Oeſterrei<h geſandt, um ſeine militäriſhe Bildung zu vervollſtändigen. Er diente als Subaltern-Offizier im 14. FnfanterieRegiment Großherzog von Heſſen in Linz ; ſein damaliger Compagnie-Commandant, der ihn in die öſterreichiſhen Reglements einführte, war der ſpätere Truppen-Diviſions-Commandant inWien, Feldmarſchall-Lieutenant von Bauer. Aziz diente au< einige Zeit bei dem 4. DragonerRegimente und ging dann na< Berlin, wo er bei der Garde-Artillerie zwei Fahre verbrachte, um dann na< Conſtantinopel zurü>zukehren, doh nur für furze Zeit. Bald wurde er wieder als Secretär der ottomaniſhen Botſchaft nah Berlin verſeßt, wo er ſe<s8 Jahre verblieb, während welcher Zeit er au< eine Berlinerin als Gattin heimführte. Vor vier Fahren wieder in ſeine Heimat berufen, trat er in die militäriſche Carriere zurü>, in welcher ex bald die Stufe des Liwa (Brigade-General) erreicht hatte. Fhm hat es die Türkei zum niht geringen Theile zu danken, daß ihre Armee mit preußiſchen Feld- und Feſtungs- Geſhüben verſehen wurde. Er war mehrmals Vorſtand der Material-Uebernahms-Commiſſion in Eſſen und Bochum.

Aziz Paſha war ein Mann von umfaſſender allgemeiner und militäriſher Bildung. Er ſtand in ſeinem 42. Lebensjahre und ſein tief\hwarzes Haar begann bereits melirt zu werden. Die Züge ſeines vollen Geſichtes kennzeichneten ſofort den Drientalen, auh ſein Weſen und ſeine Umgangsformen, obwohl niht ohne Auszeihnung, waren ein wenig bequem. Seine Körperfülle, die überdies no< eine fernere Entwicklung verſprah, trug zur Verſtärkung dieſes Eindruckes bei. Er liebte es, den Uniformro> im Zelte aufgeknöpft zu tragen. Die von Nedjib Paſcha in dieſem Bezuge beobachtete Strammheit beſaß er niht. Dafür beſaß er aber etwas Anderes, was man ſonſt der turaniſhen Race abzuſprechen