Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

pflegt: Gemüth! Man merkte es dem Manne an, daß er in den öſterreihiſhen und deutſchen Landen athmen, denfen und fühlen gelernt, und daß ihm eine geiſtvolle Frau zur Seite ſtand. Jn der That war Madame Aziz eine, durch ihre blendende Schönheit und ihren Geiſt in allen europäiſchen Zirkeln Peras vortheilhaft befannte Dame und er dur< ſie Vater zweier Kinder. Die unglü>lihe Witwe, welche ſeit Beginn des Krieges ihrem Gatten nah Schumla gefolgt, wurde auf die ſ{<onungsvollſte Weiſe dur< Mehemed Ali ſelb von dem furchtbaren Verluſt, den ſie erlitten, in Kenntniß geſeßt. Kurze Zeit darauf erhielt fie vom Sultan ein Beileids-Telegramm, in welchem der junge Monar< des ſo früh ſeinem Vaterland entriſſenen Helden in den ehrendſten Worten gedenkt und

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au< das Verſprechen abgiebt, die Kinder des Generals auf eigene Koſten erziehen zu laſſen.

Jm Beginne des vorjährigen Krieges war Aziz Paſha Generalmajor der Artillerie, ſpäter erhielt er eine ſelbſtſtändige Brigade, mit welher er ſtets erfolgrei<h gegen die Serben operirte. Am 28. September 1876 ſtand er in der Nähe von Siljegowo und de>te das Hauptquartier im Rü>en. Nah der Einnahme von Djunis drang er über den Djuniskabach, ſette ſich auf den linksſeitigen Begleitungshöhen feſt, und drang, ſeine Operationen dur einen dichten Shleier von Tſ\cherkeſſen verhüllend, bis Nowo Selko, d. i. ein Kilometer von Kruzewaß vor, welches der Feind in fluhtähnliher Eile geräumt hatte.

Empfang der gefangenen Türken beim Großſürflen Nikolaus.

Am 25. Juli erwartete man den Kaiſer Alexander in Tirnowa. Die Straßen wurden gereinigt und gefegt, die Häuſer mit Blumen und Guirlanden geſ<mü>t und Triumphbögen errihtet. — Aber ſchon Nachmittag wurde befannt gemacht, daß die Ankunft des Kaiſers erſt ſpäter erfolgen werde. Man erwartete den Czaren Freitag oder Samſtag, doh glaubte man, daß er niht früher das Hauptquartier beſuchen werde, als nac einer zweiten und ſiegreichen Schlacht bei Plewna, welche in den nähſten Tagen geſchlagen werden ſollte. Der Kaiſer liebte es nämli<, der Armee und dem Volke ſtets eine ſrohe Nachricht mitzubringen.

Nun gab es aber bei der Hauptarmee keine frohen Nachrichten und ſo mußte denn der Einzug des Kaiſers in die alte bulgariſche Czarenſtadt bis zu dem beſagten, jeßt ſhon ſehnlih exwarteten Augenbli>e verſchoben bleiben.

Dafür brachte aber derſelbe Abend ein anderes intereſſantes Schauſpiel. Die bulgariſche Legion brachte nämli<h von Kaſanlik her 800 türfiſhe gefangene Soldaten mit 17 Offizieren und einem Imam (Prieſter). Dex Großfürſt Nikolaus und ſein Sohn, ſowie mehrere Generale waren dem Transporte entgegengefahren, und nachdem ſie ihn beſichtigt, fuhren ſie ihm voraus, in's Hauptquartier zurü>. Bei der Ankunft des Zuges im Lager ſtrömte alles Militär herbei, um ſeine gefangenen Gegner zu ſehen. Still und mit allem Anſtande wurden die Türken empfangen und an der Front des Lagers die Offiziere von der Mannſchaft getrennt, jene in's große Zelt der Feldcommandantur und dieſe in die Stadt geführt, wo ſi< natürliher Weiſe inzwiſchen große Menſchenmaſſen in den Straßen

angeſammelt hatten. Dort wurden die Gefangenen ſtandesgemäß empfangen, um Bekanntgabe ihrer Namen, Würden u. ſt. w. befragt und ihre Angaben in's Fournal eingetragen. Dieſe Ceremonie dauerte mehr als eine Stunde und hierauf erfolgte der Empfang der Gefangenen beim Großfürſten-Obercommandanten. Jm großen, am weſtlihen Abhange der Thalmulde gelegenen Garten ſaß der Großfürſt vor ſeinem Zelte in einem gepolſterten Lehnſeſſel im weißen Leinwandro>e und weißer Tellermüße, umgeben von den anweſenden Prinzen und beinahe ſämmtlihen Generalen, welche halbkreisförmig herumſtanden, und erwartete, auf einen ſimplen Rohrſto> mit Eiſenhammer geſtüßt, die türkiſhen Offiziere. Nebenan ſpielte die Capelle des faiſerlihen Leibgarde-Koſaken-Regimentes ein Potpourri aus verſchiedenen Volkshymnen und zufällig gerade die türkiſche Hymne, als die gefangenen osmaniſchen Offiziere, von bulgariſchen Legioniſten geführt, in den Garten eintraten. Die Muſik ſpielte die Hymne zu Ende und unter lautloſer Stille traten die Türken in den, von Generalen und Stahbsoffizieren gebildeten Halbkreis vor den Großfürſt, ſalutirten und blieben ziemli<h zwangslos ſtehen. Der Großfürſt erhob ſi<, ſalutirte gleichfalls, ließ ſi< wieder in den Lehnſtuhl nieder, und nun begann dur< Vermittlung des offiziellen Dragomans (Dolmetſ) eine längere Unterredung des Großfürſten mit den Gefangenen, welche ſtellenweiſe ſo heiter wurde, daß Alles im Kreiſe herum laut late, die Türken niht weniger als die Ruſſen.

Hier einige der gegebenen Fragen und Antworten. Der Großfürſt fragte einen Vollblut-

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