Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

gegen Freund wie Feind kehrten. Fälle, wo ſie ſelb\ſtt türkiſhe Offiziere, welhe ihrem ſinnloſen Morden und Plündern Einhalt thun wollten, niedermaten, ereigneten fi< im Anfang zu wiederholten Malen.

Osman Paſcha brachte binnen wenigen Wochen Ordnung, Ruhe, muſterhafte Disciplin in dieſe rohen Maſſen, welche zu Ende des ſerbiſchen Krieges ſi< nur dur< ihre Kleidung von den Regulären unterſchieden, mit welchen ſie an Tapferkeit und Todesverahtung wetteiferten. Doch war es einzig und allein Os8man's Verdienſt, der die von ihm im wahrſten Sinne des

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Wortes mit Blut geſchriebenen Ordonnanzen :

au< mit eiſerner Fauſt dur<zuführen verſtand. So ließ er einſt zwei Tſcherkeſſen erſchießen, welche einen Offizier mit der blanken Waffe bedroht, einen Dritten, welcher ſeinem Befehle zuwider, Einiges von den erbeuteten Kriegstrophäen eigenmächtig ſi< behalten und veräußert hatte, einen Arnauten wieder, welcher einem deutſchen Arzt ſein Pferd geſtohlen hatte, aufhängen. „Ein Dieb,“ ſo ſprach er zu den verſammelten Freiwilligen, „iſt nur des Strikes werth!“

Wieder ein andermal, der General hatte einige Tage vorher das Anzünden von ſerbiſchen Dorfſchaften bei Todesſtrafe verboten, man ſaß vor dem Zelte Osman Paſchas beim Kaffee, als urplößli<h aus der Rihtung von Grtyan und Prlita Feuerſäulen emporſchoſſen. Wie ein verwundeter Löwe fuhr der Ferik empor und befahl mit vor Aufregung fibrirender Stimme, ſofort den Miſſethätern nachzujagen. Eine Stunde ſpäter wurde ihm ein ganzes Dußend derſelben vorgeführt. O8 man, kein Freund langer kriegsre<tliher Procedur, frug dieſelben, ob ſie fi ſ{huldig bekennen, was einſtimmig bejaht werden mußte, da die Mordbrenner bei der That erwiſcht worden waren. Ruhig, als handle es ſich niht um Menſchenleben, ſondern um ganz harmloſe Dinge, bezeihnete der General mit dem Finger drei der Gefeſſelten, welhe ſofort erſchoſſen, während die Uebrigen in Ketten nah Widdin geführt wurden, Dies furhtbare Exempel wirkte derart, daß, als einige Tage ſpäter eine Baſchi-Bozuk-Schaar in Urznagoray einbrah und einer derſelben ein Haus in Brand zu ſegen im Begriffe ſtand, er von den eigenen Cameraden, die alleſammt auh für ihr Leben zitterten, in Stücke gehauen wurde.

Auch gegen ſeine Offiziere war er im Dienſte ſtreng und ſah mit großer Pünktlichkeit darauf, daß der Anſtand gewahrt werde; niemals duldete er, daß ein Offizier ihm anders als mit zugeknöpſtem Waffenro> und regelmäßig umgeſhnalltem Säbel eine Meldung erſtatte, und wiederholt ſah man ihn, ſolche, die mit zerfebter, \hmieriger Uniform herumſchlenderten, in Arreſt ſhi>en. „Selbſt im Felde,“ hörte man ihn oft

ſagen, „hat der Soldat Zeit, ſeine Kleider zu fli>en und zu reinigen; ih will, daß meine Offiziere niht den Spott und das Mitleid der Europäer erregen.“ Was ſonſt no< über Os8man zu ſagen iſt, al8: ſeine unermüdlihe Thätigkeit und Raſtloſigkeit, mit der er niht nur die ihm zukommenden Geſchäfte perſönli<h, ſondern auh ſeine umfangreihe Correſpondenz ohne jegliche Hilfe eines Secretärs beſorgt, mit frühem Morgen aufſteht, und bis in die ſpäte Nacht hinein arbeitet, ſeine in der Türkei ohnedies bekannte Ehrlichkeit, Rechtſchaffenheit, Gerectigkeitsliebe, mit welcher er beſonders den ſo unterdrücten und verfolgten Bulgaren ſtets ein milder Schußherr war, ſei nur ſo nebenbei erwähnt.

Fn ſeinem Verkehr gegen Niht-Moslems iſt er zwar höfli<h, do< äußerſt kalt und rü>hältig ; nur in den allerſeltenſten Fällen geſtattete er einem Europäer, und wäre derſelbe auh mit den beſten Empfehlungen verſehen, den Aufenthalt in ‘ſeinem Lager. War dies lettere aber der Fall, dann machte er au< mit einem wahrhaft fürſtz lihen Aufwande den Hauswirth in ſeinem Feldlager. Jn den Feſtmahlen, welche er ſeinen Gäſten veranſtaltete, floß der Champagner in Strömen, und freute er ſih, der als ſtrenger Bekenner des Profeten (vielleicht der einzige unter den türkiſchen Generalen) nie ein anderes Getränk als Waſſer über die Lippen bringt, obwohl ſelber ſ{<weigſam, herzli<h, wenn ſeine Gäſte ſih gut unterhielten. Was ihn ſonſt no< charakteriſirt, als ſein namenloſer Stolz, der ihm oft zur Laſt gelegt wurde, ſo muß man, um gerecht zu ſein, ihn als einen wohlgere<tfertigten bezeihnen. Nur gegen anmaßende, ſi< unberufen an ihn Herandrängende läßt er dieſen ſeinen Hauptfehler zn Tage treten. Solchen, die er in's Herz ge\<loſſen, läßt er ſelben wenig fühlen.

Nun einige ergänzende biographiſhe Skizzen: Noury Osman Paſcha iſ (na< ſeinen eigenen Angaben) im Fahre 1832 geboren, ſteht folgli<h na< unſerer Zeitre<hnung etwa im 45. Lebensjahre. Sein Vater Noury Effendi, Vilajets - Beamter in Adrianopel, ein ziemli<h wohlhabender Mann, ſandte den talentirten Jungen na< Conſtantinopel, wo derſelbe in Galata Serai, dann im fkaiſerlihen MilitärLyceum ſeine Ausbildung erhielt, um mit vollendetem 18. Lebensjahre als Mulasem (Lieutenant) in ein ſyriſhes Cavallerie-Regiment zu treten ; zwei Jahre ſpäter wurde er Rittmeiſter und zeichnete ſih in dem Druſen-Aufſtande, bei wel<hem er verwundet wurde, derart aus, daß ihn Sultan Medſchid mit dem Ritterkreuz ſeines Ordens decorirte. Der Aufſtand in Kreta fand ihn {on als Oberſtlieutenant, und wurde ihm zeitweilig das Commando über eine zu gleichen Theilen aus Egyptern und Türken beſtehende fliegenden Colonne gegeben, mit wel<her er den Rebellen