Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

902

Osman YPaſc<a, der „Held von Vlewna“.

Plewna, jenes blutgetränkte Flehen Erde, lenkte bereits die Augen Europas auf ſi< und «Federmann wünſchte über das Leben und Wirken jenes Mannes zu erfahren, der mit einem an die Heroen der Vorzeit gemahnenden Held enmuth einer beiſpielloſen Hartnä>igkeit und Zähigkeit, einer unübertroffenen Kaltblütigkeit nun dur< dritthalb Monate in einer offenen Stadt gegen vielfahe Uebermacht Stand hielt, welche er dur ſein angeborenes Talent in eine uneinnehmhare Feſtung erſten Ranges verwandelt hatte, eines Mannes, welcher den Ruſſen bereits mehr Verluſte an Mannſchaft zugefügt, als ihm ſelbſt zur Vertheidigung zu Gebote ſtanden.

Osman Paſcha iſ von mittelgroßer Statur, ein wenig zur Fettleibigkeit geneigt, ſeine Haltung iſ ſtreng militäriſ< und contraſtirt angenehm mit jener von vielen ſeiner Collegen, welche ſelbſt im Dienſte jeden Augenbli> die den türkiſhen Würdenträgern eigene Nachläſſigkeit, Trägheit, Schlaffheit zu Tage treten laſſen. Sein Antliß weiſt eine hohe, gewölbte Stirn, hoh geſ<hwungene Augenbrauen, große, geiſtvolle Augen, eine leiht gebogene Adlernaſe, blonden, kurz geſtußten Vollbart, einen langen, aufwärts geſtrihenen S<hnurrbart auf und iſ ein ſolches, welhes man niht vergißt, wenn man es nur einmal zu Geſichte bekommt. Dem Geſammteindru> na< wäre man ſtets verſu<ht, ihn für cinen Deutſchen oder Franzoſen, nie aber für einen Abkömmling der turaniſhen Race zu halten. Dies um #\o mehr, als er jeden Augenbli> benüßt, um den ihm unbequemen Fez abzulegen. «Fn ſeinem Anzuge befleißt er ſi< der größten Einfachheit. blauen, eng anliegenden Waffenro>, ohne jegliche Borte und Zierrath, während er darauf ſieht, daß die Offiziere ſeines Stabes ſtreng reglementsmäßig adjuſtirt ſind und jeder die ihm zukommenden Gradabzeichen trägt. Auf dieſe Art paſſirte es Manchem, der niht im Lager Beſcheid wußte, daß er in das Zelt des Obercommandanten tretend, ſi< vor Allem an den reiſt Koſtümirten wandte und Os8man in ſeinem ſhlihten, beſheidenen Anzuge gar keine Aufmerkſamkeit ſchenkte, was dieſem indeß, nebenbei geſagt, ſtets großen Spaß verurſachte.

Ueber ſeine Charakter-Eigenſchaften, als ſeine beiſpielloſe Tapferkeit , Todesverahtung und Energie zu ſprehen, mag na< den ewig glorreihen Tagen von Plewna für rein überflüſſig zu halten ſein; ein Ueberall und Nirgends, dur<hflog er das Schlachtfeld von einer Batterie zur anderen, von Bataillon zu Bataillon, immer dort zu finden, wo der Tod ſeine reiſte Ernte hielt und do< immer wie dur< ein Wunder

Er trägt ſtets denſelben dunkel--

unverleßt, während zu wiederholten Malen hohe Offiziere ſeines unmittelbaren Gefolges getödtet wurden ; auh im ſerbiſchen Kriege gab er öfters Beweiſe ſol<her Bravour. Als es in demſelben galt, den Truppen ein leu<htendes Beiſpiel zu geben, war es O8Sman Paſcha, der ſih perſönlih, den Säbel in der Fauſt, an die Spie der Fzvor ſtürmenden Colonnen ſtellte; wenige Tage ſpäter bewirkte eine kleine Emeute Tſcherfeſſen, daß das Zeltlager von Jzvor unter den Kanonen von Zaißar um zwei Kilometer zurü>verlegt wurde, Offen beſchuldigte man den Obercommandanten der Feigheit und widerſeßte ſich ſogar dem Abbrechen der Zelte. — Dsman ließ ſofort zwei der Ruheſtörer erſchießen und das Lager in der von ihm beabſichtigten Entfernung zurü>legen; nur ſein grünes Zelt, auf große Entfernung durch den . verſilberten großen Halbmond, der deſſen Giebel ſ<hmü>te, den ſerbiſhen Kanonieren kenntli<h, ließ er am alten Play. Drei Tage blieb es ein Zielpunkt der feindlihen Geſchoße auf dem gefährdeten Punkte; erſt am vierten, als eine Deputation nah der anderen, aus Soldaten und Frregulären beſtehend, den General anflehte, ſein koſtbares Leben - niht ferner ſo nußlos zu exponiren, gab er deren Bitten nah. Als am 18. Juli dur< den kühnen Flankenmarſh Leſc<hjanin's die Armee Osman's durch einige Stunden in der höchſten Weiſe geſährdet war, da ſah man ihn überall dort, wo der Kampf am mörderiſcheſten tobte, der Kugelregen am intenſivſten war. Ja, als ſeine Truppen zurü>wichen, eilte Osman Paſha ſelbſt in die Kettenreihe der Tirailleurs, wo er ſo lange verblieb, bis ein alter bärtiger Tschausch (berittene Leibwache) mit den Worten: „Pascha jocsenim jéz“ (General, hier iſt ni<t dein Plat), ſein Roß am Zügel aus der Plänklerfette führte.

Ueber die Energie, die er ſtets entfaltete, ſind nur einige Worte hier zu erwähnen. Bei der Formirung ſeiner Armee ging das Serasfierat zu Stambul äußerſt ſtiefmütterli<h zu Werke, nur wenige Linien-Bataillone, einige Redifs Tabors, waren Alles, das man ihm, von dem man von Anfang herein ausgiebige Offenſive forderte, gab, ſo daß Osman Paſha, ſo wenig dies ihm auh zuſagte, gezwungen war, zum großen Theile auf die Hilfe von Frregulären angewieſen zu ſein. Es war dieſes eine zu<htund zügelloſe Bande, welhe man gerade vorher zur Unterdrü>ung des in Blut ertränkten Bulgarenaufſtandes verwendet hatte, eine Mordmeute, denen das Vaterland, Ruhm und Ehre gar nihts, das eigene Jntereſſe Alles galt und die, wenn es niht anders anging, ebenſo die Waffen