Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

„Er iſ gewiß ein großer Soldat!“ rief ein Dritter, „und er hat ſich heldenmüthig vertheidigt. “

„Er iſt der größte General unſerer Zeit!" ſagte General Skoboleff, „denn er hat die Ehre ſeines Landes gerettet! Jh werde ihm meine Hand reihen und es ihm ſagen.“

Alle waren einſtimmig in ſeinem Lobe und die an den verwundeten Ruſſen begangenen Grauſamkeiten waren vergeſſen.

Alles rings8um war mit dem traurigen Merkzeichen des Kampfes bede>t. Die Straßen und ihre Windungen waren hie und da mit todten türkiſhen Soldaten, Ochſen, Pferden und zerſ<metterten Wagen bede>t, und einige hundert Yards gegen Norden war der Boden, auf dem Osman Paſchas Colonne ihren heldenmüthigen Angriff gemacht hatte, mit Todten und Verwundeten im ſtrengſten Sinne des Wortes überfüllt.

Da erſcholl plößlih der Ruf: „Da iſt er! Da kommt er!“ Zwei Reiter näherten ſi< mit einer weißen Flagge, deren Träger augenſcheinlich ein einfaher Soldat war. Der zweite Reiter trug einen hellrothen Fez und den blauen Rock eines Offiziers. Er ſah nett und geſchniegelt aus und trug friſhe Handſchuhe. Er war verhältnißmäßig jung, mit einem runden, roſigen Geſicht, gut raſirt, leihtem Schnurrbart, gerader Naſe und blauen Augen und ſchien niht über 35 Fahre alt.

„Das fann niht Osman Paſcha ſein !“ riefen Alle. Es war in der That ſein Stabschef Tefik Bey. Alle Ruſſen grüßten dieſen Mann, der Osman Paſchas rehte Hand geweſen war. Er hielt einen Augenbli> und ſ{<wieg. Er ſprach franzöſiſ< mit gutem Accent, aber langſam, als wenn er ſeine Worte wählte.

Dann ſagte er: „Osman Paſcha“ — er pauſirte zehn Secunden, bis er fortfuhr — „iſt verwundet !“

Das war die erſte Nachricht, die die Ruſſen von dieſem Vorfall erhielten. Alle drü>ten ihr Bedauern aus.

„Aber doc niht ernſt, wie wir Alle hoffen!“ rief General Skobeleff.

„F< weiß es niht!“ war die Antwort, mit einer fleinen Pauſe zwiſchen jedem Wort.

„Wo iſt Seine Excellenz?®" war die nächſte Frage. j

„Dort!“ erwiderte Tefik Bey, indem ex auf ein fleines Haus jenſeits der Brü>e an der Straße deutete.

Es trat jeßt eine längere peinlihe Pauſe ein. Beide Herren betrachteten die Ruſſen in einer Entfernung von niht mehr als 500 Yards, mit den Waffen in der Hand, denn die ruſſiſche Fnfanterie war na< und nah an die Brüce

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herangerü>t. Endlich ließ fi< General Skob eleff vernehmen :

(ſt cFemand da, den Sie gerne ſehen wollten ? Mit wem wollten Sie ſprehen? Giebt es etwas?“ (Pauſe.) „Zum Teufel, was iſt es denn mit dem Menſchen ? Warum ſpricht er niht?“ platte der General gegen ſeine Umgebung gewendet heraus. Tefik Bey blieb aber ruhig und ſhweigſam,

„General Ganeßky befehligt hier. Er wird gleih da ſein, wenn Sie mit ihm ſprechen wollen!“ bemerkte endli<h Skobeleff. Tefik Bey ni>te blos.

„OD8man Paſcha hat ſi< glänzend und glorreich vertheidigt !“ ſagte ein Offizier. — „Wir haben eine ſehr hohe A<htung vor ſeinem ſoldatiſchen Charakter." — Der Türke bli>te ſtarr vor ſi< hin und gab kein Zeichen, als ob er hörte. —

„Wir ſehen ihn ficher als einen großen General an!“ ſagte ein Anderer. — Keine Antwort. Die Augen des Türken waren gegen Sofia gerihtet, als wenn er nah Mehemed Ali Paſcha ausbli>te. Es war augenſcheinli< umſonſt, eine Unterhaltung mit ihm anzuknüpfen, und ſo gaben die Ruſſen den Verſuch auf. Zum Glüc> erſchien bald General Strafkoff vom Stab des Kaiſers mit der Vollmacht, zu unterhandeln. Er fragte Tefifk Bey, ob ex von Osman Paſcha zu Verhandlungen ermächtigt ſei. Es zeigte ſih, daß dies niht der Fall war und das Endreſultat dieſer Unterhandlungen war, daß ſi<h Tefik Bey gegen die Ruſſen verbeugte und über die Brü>ke zurü>galopirte.

Dieſelben warteten eine Weile länger. Einige der Türken kamen über die Brücke herüber, einige mit übergehangenem Gewehre, andere mit demſelben in der Hand. Tauſende von ihnen ſtanden auf den Felſen niht weiter als 50 Yards entfernt, und bli>ten gefaßt auf die Feinde, die Waffen in der Hand. Eine gut gezielte Deharge hätte eine arge Verwüſtung unter ihnen anrichten fönnen, denn es waren mehr als hundert Offiziere an dieſem Fle>e verſammelt und die Capitulation war noh niht beſchloſſen.

Nun erſchien General Ganeßky und die Ruſſen paſſirten vorſichtig die Brücke über zertrümmerte Wagen und todte Pferde hinweg und befanden ſi< unter den Türken. Als der General etwa hundert Yards weit über die Brücke hinausgekommen war, wurde das Gedränge um ſie ſo ſtark, daß ſie niht weiter konnten und fie wollten au< niht, denn — in einem nahen kleinen Hauſe lag Osman Paſcha verwundet. Die Generale Ganeßtky, Strakoff und einige Andere gingen zu ihm. Es war für die Uebrigen unmögli<h, hineinzugelangen. Die Conferenz dauerte nur wenige Minuten.

Die Bedingungen der Capitulation waren bald feſtgeſtellt, Die Uebergabe war unbedingt