Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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den Türken wurde der Verluſt von Sofia re<ht ſhmerzli< empfunden. Uebrigens war die Poſition von Sofia ſelbſt, ſowie auh jene in dem Etropol-Balkan in dem Momente unhaltbar geworden, als Serbien der Pforte den Krieg erflärte, und niht genug Streitkräfte aufgeboten werden fonnten, um den ſerbiſhen Angriff in der Linie Niſh-Pirot ein entſchiedenes Halt zu gebieten.

Nach der Beſeßung von Sofia traf ein neuer ſhwerer Schlag die Türkei, derſelbe wäre mit einiger Vorſicht leiht abzuwehren geweſen. Es wurde nämli< die geſammte ShipkaArmee am 9, Januar nac einem hartnäckigen Kampfe von dem General Radetzky gefangen genommen.

Es war wohl zu erwarten, daß die ruſſiſ<hen Gewaltmärſche die Türken zum Abzuge aus dem Scipka-Paß nöthigen würden. Mit jedem Tage, den ſie unthätig an dem ſüdlihen Abhange dieſes Paſſes verbraten, ſtieg für ſie die Gefahr, dur die ruſſiſhen Colonnen, die ſich im nordweſtlihen Rumelien ausbreiteten und raſh Terrain gewannen, von ihren Verbindungslinien abgeſchnitten zu werden. Doch ehe no< der Rü>en der Schipka-Armee ernſtlich bedroht war, hatte der General Radetzky niht nur die Paſſage frei, ſondern auch die Vertheidiger derſelben zu Gefangenen gemacht; 41 Bataillone, 10 Batterien und ein Cavallerie-Regiment ereilte das traurige Schi>kſal der tapferen Armee von Plewna.

Der Effectivſtand dieſer Bataillone war freilih bedeutend unter den Sollſtand herabgeſunken, aber troßdem war der Verluſt dieſer krieg8geübten Mannſchaft für die Pforte damals ein geradezu unerſeßliher, und die Sorgloſigkeit des Commandanten, der ihn verſhuldet hatte, darum au< unverzeihli<h. Offenbar lag der Vorpoſtendienſt im türkiſchen Lager wieder im Argen und hatte ſi< der Paſha vom General Radetzky völlig unvorbereitet überraſchen laſſen.

Seitdem die erſten Colonnen der Ruſſen \ih troß aller Schre>niſſe und Schwierigkeiten eines ausnahmsweiſe ſtrengen Winters dur< die be\<hwerli<ſten Balkan-Päſſe durhgearbeitet hatten, war für die Türken faſt keine Aus ſicht mehr auf einen wirkſamen Widerſtand, an wel<hem Punkte immer übrig geblieben. Ueberall ſiegreihes, unwiderſtehli<hes Vordringen der ruſſiſhen Heeres ſäulen. Die Kataſtrophe, von welcher die türkiſhen Truppen im Schipka-Paſſe ereilt wurden, eröffnete ſomit den leßten Act des ruſſiſh-türkiſchen Krieges, Die ottomaniſhen Truppen waren aufgerollt, zerſprengt und unfähig, zwiſchen dem Balkan und Adrianopel ſi< dem Heranfluten der ruſſiſhen Maſſen entgegenzuſtellen. Am 12. Januar ſtanden bereits über 80.000

Mann ſüdli< von dem Balkan, denen fortwährend neue Zuzüge folgten, gegen welche alle Tapferkeit der von Allem entblößten und ſ{hle<t geführten, weit aus8einandergeriſſenen türkiſchen Haufen nihts mehr vermochte.

Am folgenden, für die Türken ſo unglü>lichen Tage, an wel<hem die Schipka-Armee ge- fangen genommen worden war, traf ein zweiter Schlag das in ſeinen Fugen krachende türkiſche Reih — die Feſtung Niſch hatte cap itarlirt: Die Serben hatten na< fünftägigen hartnä>igen Kämpfen Goria, Vinik und alle die Feſtung Niſch dominirenden Höhen unter ſehr beträchtlichen Verluſten erſtürmt. Fn Folge deſſen war die Feſtung Niſh für die Türken nur mehr \<wer zu halten und ſah man ſerbiſcherſeits die Capitulation derſelben als unmittelbar bevorſtehend an. Jn der That hatte Niſ<h am 10. Morgens capitulirt und waren die ſerbiſ<en Truppen gegen Mittag in die Feſtung eingerüd>t.

Der Verlauf der Operationen, der zur Uebergabe dieſer wichtigen Feſtung geführt, war folgender: Sämmtliche ſerbiſche Angriff$operationen waren vom Fürſten Milan perſönlich geleitet worden. Nach einem ſ{<wierigen Marſche dur< ein ſtark felſiges Terrain hatte das ſerbiſhe Schumadia-Corps am 4. Januar, in der Nähe von Scicilja, den erſten Zuſammenſtoß mit den Türken, um ſi< der von ihnen befeſtigten Poſitionen von Berzibrod über Baſtowah bis Belotina zu bemächtigen. Die Türken, um dem ſerbiſhen Angriffe zuvorzukommen,

“ griffen das ſerbiſhe Armeecorps mit größter

Heftigkeit zweimal an, mußten jedoch, ohne etwas auszurihten, ſi< in ihre befeſtigten Stellungen zurü>ziehen.

Am 5. Fanuar rüſten die Serben vor und beſeßten die Poſitionen knapp vor Niſh. Tags darauf erneuerten die Türken ihren Angriff, wurden jedo<, ebenſo wie früher, zurü>geſchlagen. Am 7. Fanuar erſtürmte der linke Flügel des ſerbiſchen Schumadia-Corps die Poſition von Markovo-Kale, während der re<hte Flügel desſelben Corps ſi< in Vlasfo-Bezdo feſtzuſeßen vermochte. Fn der Nacht vom 7. auf den 8. ließen die Serben in dieſen Poſitionen Belagerungsgeſhüße aufführen und eröffneten am 8. Fanuar das Bombardement gegen die Fortification von Goria. Am ſelben Tage verſuchten die Türken dur< einen allgemeinen Angriff die in den leßten Tagen verlorenen Poſitionen wiederzunehmen, wurden aber mit großen Verluſten abgewieſen. Am 9. Januar ſeßten die Serben die Beſchießung von Gorißa fort und gelang es ihnen, gegen Abend die Türken aus dieſer befeſtigten Poſition zu vertreiben.

Während dieſer ſehstägigen Kämpfe des