In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen
und Geiz gilt. Auch diejes fonftante Merkmal können mimijche Bewegungen im Laufe der Jahre hervorgerufen haben. Gie fünnen! — miülffen e$ aber nidt. Ob Diefe CharaftereigenIchaften irgendwelchen Vorfahren eigen waren und auf das be= treffende Jndividuum jamt dem entjprechenden Gejihtsausdrucd vererbt wurden, ift ja völlig einerlei, jedenfalls it das Merfmal da umd redet für den Beobachter eine deutliche Sprache. Gerade dDiejes Beifpiel zeigt, gleich) taufend anderen, wie faljch es ijt die Mimif von der Phyjiognomif zu trennen.
Fefte Lippen fommen dem gejchlojjenen Mundzug gleic) und jind der Ausdrud eines fejten Charakters; dide Lippen fennzeichnen den Schmwerfälligen und weiche, leicht bewegliche jind nad) Lavater® Anfiht Kennzeichen des jchnellen leicht bemweglichen Naturells. Den alten Griechen galt die dünne Lippe als Zeichen der Beredfamfeit, was auf ihre einfeitige Zeichendeutung zurüdzuführen if. Wohl wiejen die namhaften Redner, als übereinjtimmendes Merkmal, dünne leichtbewegliche Lippen infolge ihrer Redeübungen auf, aber aus dünnen Lippen das Talent der Nednergabe zu diagnoftizieren, war ebenjo verfehrt, mie der Schluß, daß Leute mit prächtig entwidelten Waden gute Bergfteiger jein müfjen. Vor einfeitigen Webertreibungen fann auf dem Gebiete der Bhyjiognomif nicht oft genug gewarnt werden.
Bom jtreng diagnojtiichen Standpunkt betrachtet, jcheint es uns, als jei die Dberlippe wirklich die Vertreterin der mehr intelligenten Kräfte, die untere der jinnlicd) materiellen Nteigungen. Wo es um geiltiges LZeben ji) handelt (beim Erjchreden, Zorn und Aufmerfjamfeit), mo unangenehme Empfindungen jchnell bejeitigt und verlöjht merden jollen (bei verdrießlichen Boritellungen und bitterem Gejchmad), reift man die Dberlippe hinauf zugleic) aber aud) die Brauen und Lider der Augen. Zwilhen Oberlippe und der oberen Nugenpartie bejteht in der Bewegung, oft au) in der Form und Zeichnung, eine ganz be= deutende ebereinjtimmung. Genft ji) die erjtere, jo jenfen jic) auch die Uugenbrauen und ebenfo iftS umgekehrt.
Die Unterlippe jpielt beim Genuß, bei der Nahrungsaufnahme die größere Rolle, bei fügen und jauren Gejchmadempfindungen, wobei jie mehr oder minder heruntergedrücdt oder