In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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NRüdjihlüjfe auf die yntelligenz zulajjen, die untere Gejichtshälfte dagegen, namentlich der Mund, mehr die Wejensart, das Sinnen und Wollen des trivialen Alltaglebens verrät. Gin vergleihender Blit auf den veredelten Menjchentypus der europäiihen Nafjen und der wilden Völker bejtätigt uns das. Der Unterfchied it ein gewaltiger. Dasjelbe fönnen wir inner= halb der eigenen Kaffe zwijchen Gebildeten und Ungebildeten wahrnehmen. Sp pflegt der einjeitige Mund, die jchiefe UnterIippe edlen und feinen Naturen nie eigen zu fein, dagegen aber jolden die etwas Gemöhnliches, Gemeines in ihrem Wejen haben, an gemeinen Wien und Zoten jich ergögen, jie gerne erzählen und anhören. Hier mahen Männer wie Frauen, Stand und Geburt feine Ausnahme, jondern nur Zähmungserjcheinungen, Pfeifen= oder Zigarrenrauder, die den Glimmitengel von früh bis abends im Munde halten. Wer Jahre Hindurd) aus jchweren Pfeifen raucht, und fie nur mit dem Munde fejthält, Tann den einjeitigen Mund aud auf die Finder vererben. Cbenjo erfennt man, mie Reich bejtätigt, den lüjternen geilen Menjchen in der Regel auf den erjten Blid, einerlei, ob er der Masfe der Jrömmigfeit ji) bedient, brutal ijt, oder wirklic) fein Wäfjerchen trübt. Die gewandteiten Verjtellungsfünjtler Eönnen die Cigentiimlichfeit ihres Diundes nicht ändern. Hier ilt ihre Achillesferfe. Und mögen fie mit dem geiübten Auge nod) jo erfolgreid) beucheln, der Mund verrät jie, an den jie obendrein nicht denken. Sntuitive Geifter achten unbewußt auf diefe Erjheinungen, nur jo fönnen jie ihre rajiermefjerfharfen Charafterurteile fällen, die jeden verblüffen.

Die jehr fleifhige Unter- und jehwellende Oberlippe ijt, bei lüjternem Bli und ftark entwideltem Hinterkopf, ein untrügliches Zeihen der Ginnlichfeit. Gelbjtverjtändlid) wird bei Willensjtärfe und guter Erziehung diefer Trieb eine Dämpfung erfahren und aud) im Antlit ji weniger markieren. Hier immer das Richtige zu treffen, ift eben die Kunjt des Phyjiognomen.

Schmale, eingezogene Lippen lafjen die ängjtliche, jorgende, jorgenerfüllte Natur erfennen. Dieje Erjcheinung wird häufig dur) jtändiges Wiederfehren des bitteren und herben Zuges hervorgerufen, Das Gleihe gilt vom verbijjenen, Lippenlojen Mund, der als jicheres Zeichen von Kälte, ylei, Genauigkeit