In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

De 2)

Die Stirn.

Cicero nennt jie in einem Brief an feinen Bruder „die Türe der Seele oder des Geijtes"; Yavater machte ein „Tor der Seele und den Tempel der Schamhaftigfeit" daraus. Plinius galt die Stirn als „Zeichen der Freude und Traurigkeit, der Strenge und Gnade”, ein jüngerer Forfcher hat Merkmale des quten und böjen Gemiljens, der Unfchuld und des Verbrechens auf ihr entdedt. So mogen die fonderbarften Anjichten Hin und ber, von den Phyfiognomen des Altertums angefangen bis zur Neuzeit. Viele gingen jo weit, die Stirn als das zuverläffigite Merkmal für die Beurteilung des ganzen Charakters zu bezeichnen, aus dem man nicht allein den Menjchen miürdigen, fondern dejjen Vergangenheit erfennen und jeine Zukunft bejtimmen fanın. lUmnjeres Wiljens war Cardanus der erjte, der in feinem 1658 erjchienenen Werke die Stirnfalten zur Grundlage eines Syjtems madte. Er unterjhied große und Kleine Linien, breite und feine, jpärliche und häufige, deutliche und undeutliche, unterbrochene, ununterbrochene, gerade, frumme und zerrijjene und brachte jie mit den jieben Planeten der Ajtrologie in Verbindung. Die Falten waren fejtjtehende Zeichen für bejtimmte Eigenfchaften in der Gegenwart und Fingerzeige für die Zukunft. Samuel Fuchs verbiß ic) in Ddiefe Theorie derartig, daß er zu ihrer Begründung jagte: „Diefe glänzenden Gejtirne rollen nicht bloß über unferen Köpfen weg, jondern jie jteigen gleihjam zu uns hernieder, jie teilen uns ihre Einflüfje mit, jodaß, indem mir unter dem Hinmel wirken, der Simmel zugleich auf uns wirft.“ Wie jehr diefe Anfchauungen noch unfere Zeit beeinflujjen, geht aus den Schriften gewiljer Romanfchriftjteller hervor, die vom „Kainzeihen auf der Stimm” in allen Tonarten leiern. Gelbit der noch) lebende Raul Lindau hat 1883 an den Bildnifjen „der