In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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Mörder, Räuber, Einbrecher, Bauernfänger, Diebe und Betrüger“ nad) diefem Kainzeichen gejucht. ES ift nicht zu finden.

Der Vollsmund Hält aber troßdem am Glauben an Die Stine feft. Er fennt volle, bedeutende, offene, leere und nichtsjagende Stirnen; Otimen die ji „aufklären“ und jolcdhe, Die „nur trüibes Wetter jegen“. Und in der Tat thront die Stirn majeftätiijh) den Gefihtsausdrud beherrjchend glei) dem blauen Himmel in der Höhe, der in feierlicher Schöne die Erde übermwölbt. Much hier verdunfelt, verfinitert, verdüftert, ummölft ji alles, „wenn Sorgen oder Leidenjchaften das Gemüt in Erregung verjegen“ meint Schad. In richtigem Gefühl juchten und rangen hier die bedeutenditen Männer nad) Erklärungen. „Nicht ijt es die edle Form oder die außerordentlihe Schönheit der Gejichtszüge”, jo führt Bulmer aus, „was allein den Mtenjchen das Anjehen von Kraft und Adel, was ihm jeine ladende Anmut verleiht. ES ilt daS inSbejondere der freie, derbe, jtets offene und do jo Euge und bedädhtige Ausdrud der Stirn, der Die ahnende Empfindung einer höheren Kraft, jener höheren Stärfe in dem Beichauer erwedt“. Er trifft injtinktiv das Richtige, doc Durch) den Mangel einer phyjiologijhen Bajis vermengt er im weiteren Berlauf feiner Erklärung die heterogenjten Dinge miteinander. Dasjelbe gilt von der poejievollen Schilderung Herder in jeiner Blaftit: „Das Leuchten des Angejichts zeigt ji) infonderheit auf der Stirn; da wohnt Licht, da wohnt 7yreude, da wohnt dunkler Kummer und Angjt und Dummheit und Uns mijjenheit und Bosheit. ch weiß nicht, wie je einem Anblidenden eine Stirn gleihgültig fein fann, denn Hinter diefer jpanijchen Wandjingendod einmal alle Grazien, oder träumen alle Zyklopen, und fie it von Natur felbjt offenbar gebildet, daß jie das An= gejicht jolle leuchten lajjen oder verdunfeln“.

Nad) unjeren Ausführungen über „Die Gejichtszlüige und ihre phyjiognomifchen Merfmale" brauchen wir faum Hinzumeijen, daß hier Die Mimik jene gewaltige Rolle jpielt, deren Zeichen die älteren Schriftiteller nicht zu lefen verjtanden, obwohl Porta ihon auf die Stirnfalten des Zornmütiaen und die glatte Stirn des Sorglofen hinwies. Diejfen phyfiognemiichen Schlüfjel feilte erjt Biderit aus und eröffnete uns damit die „Nejidenz und Seltung des Geijtes', um ein überfchwenglihes Wort von Lavater