In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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„einem an dem Augen anfjehen, was er im Schilde führte“, fannte den böfen, faljchen, untreuen und Hinterlijtigen Blid, den jeder jcheute, mancher fürchtete.

Durhdringende durhbohrende Augen waren ebenjo gefürchtet, wie jchielende, die unangenehm berührende Gefühle auslöjten. Aucd, Heute ift es jo und das uns bejchleichende Unbehagen übertragen wir auf den Träger jchräger Augenadjen, in dejjen jchielender Blidrihtung wir Hinterlift, Falfchheit und Unehrlichfeit erfennen wollen. Den Charakter und die jittlihen Gebrehen eines Menjchen werden wir nie danad) beurteilen fünnen, ob einer nad) Innen oder nad) Außen jchielt! Der Südländer hängt aber an Diefem Glauben fo unerjchiitterlich fejt, daß faft jede Stalienerin ihr Kind mit roter Soralle vor dem böjen Bli der Menjchen „Ihüßt“. Noch abergläubifcher find die Spanierinnen und Wraberinnen darin.

Die alten Phyjiognomen fonnten über dieje Dinge nicht hinweg und Porta erzählt uns nod) mit offenfundiger Schadenfreude, daß der Hunnenfönig Wttila (den nebenbei bemerft, Zavater mit Bodshörnern zeichnete) zwinfernde vder vielleicht gar jchielende Augen hatte. Das Auge und feine ewig wechjelnde Stellung in fritijch analyjierender Weife zu betrachten, ijt un= gemein jchwierig, darum blieb man Jahrhunderte Hindurd) an äußeren Merkmalen haften. Neben den Augenbrauen mußte Die Augenfarbe die meijten Erklärungen liefern, wobei Treue, Sanftmut, Chrlichfeit und ähnliche Tugenden dem blauen Auge auf Koften aller übrigen zugejchrieben wurde. Die alten von MirzaSchaffy in poetifche Form gefleideten Negeln:

Ein granes Auge

Ein fhlaues Auge;

Auf Shelmifche Launen

Deuten die braunen;

Des Auges Bläue

Bedeutet Treue;

Doch eines jchwarzen Augs Gefunfel

Sit ftet3, wie Gottes Wege, dunkel! find deshalb aud) ohne jede wiljenjchaftlicye Bedeutung. Die fühnen Sprünge des Dichters find nur ein Ausflug der alten Bhyfiognomenmeisheit, der jogenannten Vollswahrnehmungen. Und was verfündeten nicht gar die Yarben!