In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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Der als phyjiognomifhe Negel aufgeftellte Sat des Sofrates, daß nur in einem jchönen Körper eine jchöne Geele wohne, behielt feine Bedeutung bis ins vorlegte Yahrhundert, als Zavater mit der Materie fi) zu bejchäftigen begann. Wo ein jchönes Auge war, mußte nad) diefer Theorie au) eine ichöne Seele gefunden werden. Man erklärte das Auge als den Aufenthaltsort einer feelifchen Subjtanz, eines geijtigen Jluidums, das je nad) dem Zuftand feiner Erregung und der individuellen Dispofition größere oder geringere Energie ausjtrahle. Damit glaubte man alles bemwiejen zu haben; den feurigen Blic! Des Kämpfers umd den eiferfüchtigen des Buhlen, den trägen, ihläftigen Ausdrud des jatten Genießers, den firierenden fejten des energijch Eonzentrierten Menfchen, den unfläten des unjicheren furhtfamen Mädchens vom Lande. Diejfe Ausjtrahlungstheorie behielt bis Mitte des vorigen Jahrhunderts Giltigfeit, auf die Carus noch in jeiner „Symbolik der menjhlichen Gejtalt" ein Zoblied fingt. hren hödjften Triumph feiert fie jedod in Lavaters Fragmenten, der auf Grund diejer Anjhauung den erhöhten Augenglanz folgendermaßen erklärt: „Noch etwas von dem Auge des Genies, das fich nicht wohl bezeichnen läßt, das aber nicht allen Genien gemein, menigitens nit an ihnen jpürbar ift. Das ift nit nur das Treffende, Blitende, das jih aus der Zeichnung des Auges ergeben mag — fondern das Ausfließende, wenn ic) jo jagen darf. Seis nun wirkliche Amanation, wie Licht aus Licht, oder jeis nur Bewegung der Materie des Elements, die licht, magnetijch, eleftrijch, oder wie fie will, heißt — das Yuge des Genies, des gejalbten Gottes, iheint Ausflüffe zu haben, die auf andere Augen phyjilh und unmittelbar wirken. ch bejtimme die Natur diejer Ausflüfje auf feine Weife. Wie jeder Körper das Lidht auf eine ihm eigene Art zurüidwirft, die etwas von der Natur diejes Körpers, mo nit an jid) Hat, Doc) ausdrüdt — fo gibt jedes Auge dem Lichtitrahl, der von ihm ausgeht, eine eigene Direktion und Sibration.“

Durd Dieje poejievolle Ausjhmüdung verjtärfte ji) der Bolfsglaube über die phyjiognomijhe Bedeutung des Nuges nod) mehr, der im Dogma: „das Yuge ift der Spiegel der Seele" jeinen hödjiten Ausdrud fand. Nun fonnte man e8