In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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wegungen jo auffallend“ meint fon Cartejius, „dab aud) Die dümmften Knete aus den Augen ihres Herrn auf feinen Zorn oder feine gute Laune jchliegen. Allein, ob wir diefe Bewegung leicht gemwahr werden und jehr wohl ihre Bedeutung willen, jo ift es doc) nicht leicht fie zu befchreiben. yeder ift aus mannigfaltigen Veränderungen der Bewegung zujammengejest, die jo ihmad) find, daß fich feine derjelben befonders wahrnehmen läßt, obgleich das, was aus ihrer Verbindung entjpringt, jehr leicht beobadjtet wird." Was wir an anderen Menjchen wahrnehmen und als Wahrheit empfinden, können wir nur infolge der un= geheuren Flüchtigfeit aller mimijchen Vorgänge nicht bejchreiben. Die phyjiognomifche Tätigkeit des jeweiligen Gefichtes läßt uns nicht lange beobachten, fondern gewährt hierfür den allerfürzeften Zeitabjehnitt, den Menfchengeiit jich denfen kann, und den wir mit dem Worte „Augenblid“ bezeichnen. Zur richtigen Auffajlung Ddiefer Bewegungen gehört darum viel Yufmerfjamteit und geübte Sicherheit. Aber alle phyjiihen und moralijchen Berhältnifje, unter denen wir leben, haben Einfluß auf den Blid. So jagt Rei: „Jeder Profejjionift blickt bejonders; jede Krankheit berührt das Auge eigentümlid); jede Lebensitellung, Lebensmeife und Erziehung drüdt dem Blid ihren Stempel auf. Der Blif des Herrichers, des Schulmeilters, des Geelenhirten, des Schaufpielers, des Wucherers, des Kriminaliften, er ift jo fennzeichnend, daß fein halbwegs Stompetenter die eine Art mit der anderen verwecjeln dürfte; den Frejjer und Gäufer, den Wollüftling, den Hungernden, den Kranken, den Wohlerzogenen, der Menjchenfenner unterjcheidet jie Durd) den Blid, und Der erfahrene Urzt fann eine große Zahl von Leiden aus dem Auge ablejen.“

Die eigentlihe Seele des Auges ijt aljo der Blid. Der Fehler der alten Phyjiognomen lag darin, daß fie aus dem äußerlih” mwahrnehmbaren Bau, dem Gejamteindrud, Die phyfiognomifche Bedeutung des Auges erklären wollten. Zwar ‚Itreifte Herder jhon die Wahrheit, als er jagte, daß jeder große Mann einen Blic habe, den niemand nahmadhen fann, allein über die Mether- und Fluidumausftrahlungen fam, wie bereits früher betont wurde, jeine Zeit do nicht hinaus. Wie unhaltbar die alte Anfehauung ift, geht jhon daraus hervor, daß