In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

— 8

(6.6)

jelbjt der geiibtejte Schaufpieler hinter einer Maste nicht einen Gemütsaffeft herbeizuführen vermag, den unjer Auge wahrnehmen fünnte. Diejes Experiment fann jeder vor dem Spiegel nachprüfen. Bei Zorn, Demut, Freude und Trauer leuchtet einem jtetS derjelbe Glanz, jtarrt einem derjelbe Ausdrud entgegen. „AUS ic) das Experiment anjtellte”, jchreibt SchmidtRimpler „und mit möglihjt zornigem Gefiht — daS aber hinter der Maske natürlich nicht zu jehen war — meine Augen wild umberrollen ließ, fragte der Beobadter in dem Tone richtiger Erfenntnis jehr naiv „Sie juchen wohl etwas?" Aus dem gleichen Grunde läßt der gläubige Wohammedaner das Yuge jeiner Frauen jchleierfrei, weil er weiß, Daß es ohne daS ge= Ihäftige Spiel der Gefihtsmusfulatur über Seelenftimmungen feinen Aufjhluß geben fann.

Wie fommt es nun, daß die Lebensverhältnijie Auge und BlidE beeinfluffen? Hierauf antwortet Reid: „Alles, was auf uns einmwirkt, reflektiert jic) zuleßt in den Organen des höheren Geifteslebens, und dieje leßteren veranlajjen die Zentra, unter deren Kommando die einzelnen Teile des Auges und die Uurgen= musfeln ftehen, zur Aktion.“ Den ugenftellungen, Lidern und Brauen, welchen das Wuge feine ausdrudsvolle, geminnende zorm dankt, müjjen wir jet unjere bejondere Aufmerkjamtfeit zuwenden. yhre Beweglichkeit beruht auf einer hödhjt fompli= zierten Musfelanordnung, auf die wir im Rahmen diejer Urbeit nicht näher eingehen £fünnen und bei unferen Betrahhtungen aud) nicht einzugehen brauchen.

Wenn wir Perjonen und Gegenjtände betrachten wollen, wird das Auge mit Hilfe der verjchiedenen Muskeln auf den zu beobacdjtenden Gegenjtand gerichtet. Das uns im Wugenblid beherrfjhende Gefühl bejtimmt den Charakter des Blides. Crfüllt uns Mitleid, Neid, Mißtrauen oder Veradjtung, jo wird der Blid auf eine Weife dies zum Ausdruck bringen. Der Blid ändert fi) aber jo fehnell wie die Gedanken fi) ändern, und je flüchtiger der Blid ift, um fo größer ift feine mimijche Bedeutung, um jo dharakteriftifher ift er für die Erkenntnis Des Geijteslebens. „Gefett", jagt Piderit, „wir reden mit einem Menjchen, welcher fich ftellt, al$ ob er nicht das geringite nterejje an unferen Worten nähme, der vielleicht gleichgiltig den Kopf zur