In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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Wo die Augen ausdrudsios in die Welt bliden und von einer charakteriftiichen Bejchaffenheit des Blides nicht mehr gejprocden werden fann, haben mir das vielgerühmte harmloje Kinderauge, das jenjeits von Gut und Böle it. (Abbildung Nr. 45.) Ye häufiger diefer Blid in der Gewohnheit Ermadhjener wiederfehrt, umfo leichter und jehneller erfennen wir den gedanfenlofen Träumer daran, dem jede individuelle Eigenart fehlt. Sein Blid ift Ieer, inhaltlos, nihtsfagend, feine geiftigen Fähigkeiten nur Zeichen bejchränfter Armut. Für den Arzt gilt der Ieere Blick oft als Symptom jhmerer Erkrankungen.

Der fiarrende Blick

bringt den Zuftand des Gelbjtvergefjens, des Berjunfenjeins, des Borfihhinbrütens zum Ausdrud. Man nennt diefen Blid gewöhnlich „jich vergaffen“. Die völlige Bemwegungslofigfeit des Auges ijt jein Merfmal. Jm erhöhten Maße finden wir ihn beim Erjchredten. Das Auge heftet ji) unverwandt auf das Objeft des Schredens. nm Ddiefem Stadium ift das Auge unbelebt, erjcheint wie tot, ijt „gläjern“ wie beim Werftorbenen.

Sobald wir an eine Sade denken, pflegen wir den Blic auf jie zu lenken, jie anzujehen. Dabei wenden wir ihr das Antlit, in vielen Yyällen aber lediglich) das Auge zu. Won der Nihhtung Diejes Blidles und feinen charakteriftijchen Begleiteriheinungen hängen viele Ausdrudsformen ab, die wertvolle Charafteraufichlüffe geben. Nichtet jemand den Blid ftarf in die Höhe, daß zmwijchen dem Unterlid und der Hornhaut die weiße Lederhaut zu jehen fommt, wie bei Abb. 41, jo haben wir den entzückten oder fdiwärmerilhen Blick.

Solde Menjchen fliehen das Gedränge des Tages, weil ihre Gedanken in den Sphären der Jllufionen jchmweifen! Sie richten fie empor zum Licht, zum reinen Blau des Wethers, wo nod) für jeden das Neid) der Ydeale zu liegen jcheint. m hödjiten Grade der Gfitafe wird das Auge teilmeife oder ganz gejchlojjen wie Dies Abb. Wr. 42 veranfhaulidt. Hier offenbart jidy Die tiefe Neligiofität des betenden Mädchens, die vom geitlichen und Näumlichen getrennt zu jein jcheint. Was man mit Andact verehrt, mit Snbrunjt begehrt, jegt im reinjten Moment des Berlangens in Entzüdung, in Craltation, die jih in den Zügen fundgibt, wie wir das bei diejer im Ausdrud fait Kaffiichen