Orpheus : altgriechische Mysteriengesänge

artig. Sehr vieles kann aber den Vergleich mit der religiösen Dichtung des Indischen und des Hebräischen wohl aushalten. Gewiß hatten die orphischen Dichter keine vorwiegend poetischen Absichten, aber ein sopoetischesV olk wie die Griechen verleugnetsichauchnichtinErzeugnissen,die mehrabstrakten und spekulativen Zwecken nachgehen. Gerade in der Darstellung des kosmischen Empfindens, des Ahnungsvollen und der Naturbeseelung mit dionysischem Pathos ist der poetische Grundton gar nicht zu verkennen, der übrigens häufig genug merkbar an die Poesie der Psalmen und altgermanischer Dichtungen anklingt; besonders dort, wo der sakrale Zweck nicht sehr in den Vordergrund tritt. Herder nennt sie „Zerstückte Glieder des Urgesangs aller Wesen“; außer ihm haben auch noch andere Männer mit einigem dichterischen Verständnis einzelne Hymnen ins Deutsche übertragen: Tobler (Schweiz. Museum 1784); Kosegarten (Leipzig 1817); ]J.H.Voß und Lenz (Gött. Mus.-Almanacı 790).

Entscheidend für das rechte Verständnis war allerdings die Wahl einer angemessenen dichterischen Form. DieHexameter kamen von vorneherein nicht in Frage, sie wirken insDeutsche übertragen zu schematisch und zu gezwungen, als daß sie die Seele der Lieder hätten wiedergeben können. Einige innere Ähnlichkeit empfandich mitgermanischer Stabreimpoesie verwandten Inhalts und, in gebührendem Abstand, mit einigen von Goethes Rhapsodien. Bei der Prosaübertragung konnte ichdann mitOvid sagen: Sponte sua carmen numeros veniebat ad aptos— der freie rhapsodische Rhythmus bot sich ganz von selbst alsbesteAusdruck smöglichkeit dar. Gelegentliche Stabreimanklänge entspringen keiner bewußten Absicht, liegen aber wohl in einer gewissen inneren Verwandtschaft begründet.NurdergetrageneVorspruchfügtesichbesserin denBlank-

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