Orpheus : altgriechische Mysteriengesänge

Gäste beim heiligen Mahle in seine Mitte zu ziehen. Es wa nicht allein Dionysos, zu ihm tretenregelmäßig etwa noch vier Gottheiten, wahrscheinlich Hekate, Aphrodite, Palaimon und Persephone. Dann wechselten wahrscheinlich mimische Vorführungen mystisch-symbolischen Inhalts mit Chorgesängen nachantik-dramatischerArt, unddiesewurden wiederumdurch Tänze unterbrochen, dieder ursprünglichen ekstatischenWildheit eine Konzession machten. Das wesentliche mimische Moment war zunächst wohl die bildliche Darstellung der Zerreißung des Gottes, die unter seiner Gestalt des Stieres in älterer Zeit noch wirklich von seinen fanatisierten Verehrern ausgeführt wurde. Diese behielten auch später den Namen eines »Thiasos«, eines Schwarmes bei. Einzelheiten und die wesentlichen Geheimnisse wurden von der Priesterschaft streng bewahrt; Verletzung dieser Arkandisziplin wurde auch gesetzlich als Gottlosigkeit verfolgt.

Dem Wesen nach ist in den späteren orphischen Begehungen allerdings ein grundlegender Unterschied zu dem ursprünglichen Aufregungskultezubemerken.DasZielistesnichtmehr, den ungestümen Erlebnisdrang durch Überreizung der physischen Natur zu übersteigern und zu erschöpfen. Es hatte sich eine starke Verinnerlichung vollzogen und als entscheidend treten dabei die ethischen Ziele in denVordergrund. Mankann überhaupt wohleinen wesentlichen Unterschiedzwischen dem ursprünglichen dionysischen Wesen und dem orphischen annehmen; der sanftere Orpheus dürfte erst nach und nach den wilden Bruder gezähmt haben. Heraklit selbst lehnte dasbakchantische Treiben als eines denkenden Menschen unwürdig ab,hatte aberVerständnisfürdie ethischen Zieledesorphischen Wesens. Dasist in den Grundzügen auch aus der Orpheussage selbst zu erkennen. Orpheus, der mit seinem Gesange Bäume und Felsen bewegt, Tiere zähmt und sogar die Totengöttin rührt, wird auf den Höhen des Haemus von thrakischen Mai-

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