Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

C, Hermes als Erlöser. 179

merkwürdige Übereinstimmung mit den eben erwähnten Texten läßt wohl auf eine religiöse Grundlage dieser Formeln schließen, die freilich in stoischem Sinne abgeschwächt ist. Jedenfalls würde diese Deutung dem Gedichte des Horaz gerecht, was ich von der bisher giltigen nicht ganz zu sagen wage.!)

eine Art göttliches Wesen ist (wie die spätere Lehre von den 365 Archonten zeigt), gesagt wird: fipfev dE TW Köcuw TWv dı’ auröv ebayyellwv, so hat dies Dieterich (Zeitschr. f. d. neutestam. Wissenschaft und Kunde des Urchristentums 1900 S. 336) mit dem Kult des EüayyeXoc in Verbindung gebracht; erist nach Hesych und den Darstellungen der Vibia-Katakombe Hermes (vgl. Beigabe I). 1) Nur so scheint mir der Gegensatz zu den Worten patiens vocari

Caesaris ultor, nur so der Schlußvers (inultos) voll zur Geltung zu kommen. Eine Berücksichtigung hellenistischer Theologie ist bei Horaz an sich nieht befremdlicher wie bei Ovid. Ich benutze die Gelegenheit, um den früher in den Zwei religionsgesch. Fragen (S. 69) aus alexandrinischen Anschauungen erklärten Gedichten des Horaz ein weiteres beizufügen. Zu dem reizenden Liede Vixi puellis nuper idoneus (II 26) bemerkt Kießling, um die Schlußstrophe

OÖ quae beatam diva tenes Oyprum et

Memphin carentem Sithonia nive,

regina, sublimi flagello

tange Chloen semel arrogantem zu erklären: „Warum Venus so nachdrücklich als Herrin von Memphis angerufen wird, ist unklar; ein angebliches Heiligtum der Aphrodite daselbst erwähnen Herodot II 112(!) und Strabo XVII 807; äxeinavroc (Sithonia nive carentem) heißt Memphis bei Bakchylides fr. 39. Vielleicht liegt eine Reminiszenz aus Sappho oder Alkaios zu Grunde.“ Es ist die seit Kießling ja übliche Erklärung des besonders Gelungenen oder besonders Mißratenen. Ich gestehe, daß sie mir hier Horaz als den erbärmlichsten aller Verseschmiede erscheinen läßt; quae Oyprum tenes ist eine so einfache Umschreibung des Namens Kypris, daß neben ihr die Erwähnung eines mit erlesenster Gelehrsamkeit glücklich herausgefischten Fremdkultes zu Memphis abscheulich wirkt. Die göttliche Herrin von Memphis ist bekanntlich Isis (vgl. 8. 138); sie sagt von sich selbst im Hymnus von Andros (0. I. Gr. Ins. V 739, 37): “vdpi yuvaika cuvdyayov, und schon Eudoxos hat sie mit Aphrodite identifiziert; als solche empfand sie in Rom die Jugend. So sagt Horaz nur: O Göttin, die du Aphrodite und Isis bist. Sein Instrument aber weiht er in einer Isiskapelle; Isis ist ja die meAayia, d.h. marina, Isis die regina (Wissowa, Religion und Kultus der Römer 8. 295 und 297; die Geißel paßt für Aphrodite — auf Pindar Pyth. 4, 219 verweist Plasberg — wie für die Herrscherin Ägyptens, vgl. Dieterich, Abraxas 8. 138.A.). Ein Liedehen an Isis, wie wir es im Epigramm erwarten würden, ist in den Ton der Ode steigernd übertragen. Zu den Steigerungsmitteln gehört das eine Epitheton von Memphis 4yxeiuavroc, welches die Stadt ähnlich wie den Olymp als Sitz seliger Götter erscheinen lassen soll. Das ist wirklich übersetzt und infolge der von Horaz gegen das Original beliebten poetischen Individualisie-

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