Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

180 V. Ausbreitung der Hermetischen Literatur.

Doch genug von der Vorstellung von dem ßacıkeic als cwrnp; weit wichtiger ist ja, daß sich in einem eng mit Judäa verbundenen Lande die Vorstellung von dem didackaAoc oder npopnrnc als cwrnp nachweisen läßt. Auch hier konnte das Christentum an Vorhandenes anschließen.!) —

So hat die Betrachtung jener späten Nachwirkungen des Hermetismus doch auch für die frühere Zeit einiges ergeben. Daß ich in der Schilderung der Ssabier ausführlicher geworden bin, möge der Leser damit entschuldigen, daß es unmöglich ist, auf Chwolsohns Werk einfach zu verweisen, und daß es interessant zu beobachten ist, daß an dieser Stelle das Fortleben der hellenistischen Religion auch kulturhistorische Bedeutung hatte. Denn aus dem Kreise der Ssabier, die sich bis in das zwölfte Jahrhundert hielten, ist, wie man aus Chwolsohns biographischen Notizen ersieht, eine besonders große Zahl der Übersetzer hervorgegangen, welche den Arabern griechisches Geistesleben erschlossen. Ja, vielleicht reicht dieser Einfluß noch weiter. Wer auch nur De Boers kurze Geschichte der arabischen Philosophie liest und darin so manchmal ohne jede Erklärung gnostische Ein-

rung sogar wenig glücklich übersetzt; alles übrige ist fein und individuell empfunden.

1) Daß die jüidische Messiasvorstellung in einzelnen Kreisen von hier aus mit beeinflußt werden konnte, wird man nicht von vornherein bestreiten können. — Nicht in der cwrnp-Lehre an sich liegt die Eigenheit des Christentums, und noch weniger in der Hervorhebung der Heilwunder oder der Parallelisierung der körperlichen und geistigen Heilung, wie ich für Philologen nicht auszuführen brauche. Daß diese Erlösung nicht eine bloße Vertreibung der bösen Leidenschaften oder Laster, eine Befreiung vom Tode und Sicherung ewigen Lebens bei Gott, sondern zunächst eine Vergebung der Sünden ist, scheint mir das Neue. Der furehtbare Ernst der Predigt von der Schuld und Versöhnung fehlt, soweit ich sehe, dem Hellenismus. Man darf das Totengericht, von dem die yvwcıc befreit, oder die Hades-Strafen, von denen Weihen entheben, ja selbst das Streben nach Reinheit in der Askese nicht im Ernst mit jener Wiederbelebung der ursprünglich ja den meisten Religionen eigenen Anschauungen' von Schuld und Sühne vergleichen, die sich im Judentum allmählich vollzogen und die gewaltigsten und tiefsten Gedanken der jüdischen Prophetie verallgemeinert und erweitert hatte. Als die erste Gemeinde dann den Tod Jesu mit diesem tiefen Gefühl der Schuld und dem Glauben an die Vergebung auch der schwersten Sünde in Verbindung brachte, da, aber auch erst da, hat die christliche cwrnp-Lehre ihr Eigenstes, ihre welterobernde Kraft gewonnen, und ihre hellenistischen Rivalen konnten ihr nur noch den Weg durch eine Welt bereiten, die eben wieder die Sünde zu empfinden gelernt hatte.

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