Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

D. Judentum. Art und Dauer der Beeinflußung, 189

dauernden Einfluß dieser Vorstellungen, der ganz allmählich die widerstrebenden Faktoren im Judentum überwand.)

Wir können in der alchemistischen und astrologischen Literatur das fortdauernde Herüberwirken Hermetischer Schriften noch verfolgen.°) Man braucht in der Tat nur die von Pitra®) veröffentlichten Exzerpte Hermetischer Schriften mit einem jener spätjüdischen Büchlein zu vergleichen, in welchen die Sterne und ihre Namen hebräiseh, arabisch, griechisch und lateinisch angegeben werden und zu jedem Stern die Pflanze und der Stein, welcher ihm entspricht,

1) Charakteristisch dafür sind weniger die Steigerung der astrologischen Anschauungen und der eng mit ihnen verbundenen Dämonologie, die Ausgestaltung der Lehre von dem zweigeschlechtlichen ersten Menschen oder von dem „zweiten Gott“ Metatron, dem Logos, die Ausbildung der Theorie der Ekstase bis zu jener eigentümlichen Lehre vom Propheten bei Abulafia (XII. Jahrhundert) und derartiges mehr, als vor allem das Entstehen von Schriften, wie die Hechaloth, welche darlegen, wie der Mensch sich durch Eulogien und Hymnen geeignet macht, die sieben himmlischen Paläste zu durchwandern, und welcher Formeln und Amulette er gegenüber den Engeln und Hütern der einzelnen Tore bedarf; das ägyptische Element scheint, wenn auf Karppes Darstellung einiger Verlaß ist, sehr viel stärker geworden, als es in den Apokalypsen war. Es ist ähnlich mit dem Buchstabenzauber, der in dem Sefer Jezirah zur Ausgestaltung kommt. Erst im XIII. Jahrhundert scheint ferner die Ansicht voll ausgebildet, daß der wahrhaft Gottbegnadete, ähnlich wie der mpWtoc ävapwmoc (die Form,.in der sich Gott zur Erde niederneigt und unter der er verehrt werden will) ganz aus den zehn Sefiroth Gottes bestehe; ihr Gegenstück bietet das XII. (XIV.) Hermetische Stück. Die eigentümlichen Vorstellungen von einer geschlechtlichen Vereinigung Gottes mit der ®ucıc, die uns in derselben Zeit begegnen, habe ich 3.42 A.2;44 A.2 erwähnt; der Stier erscheint dabei als Symbol der männlichen Kraft. Die Gleichsetzung des Menschen und des xöcuoc wird echt ägyptisch durchgeführt. Sonne und Mond sind die Augen „des Menschen“, das Sternbild des Löwen (in welchem ’Ayadöc datuwv der eine Dekan ist) sein Herz. Selbst die ägyptische Vorstellung vom %a kehrt wieder. Vor der Zeugung des Menschen modelt Gott ein Abbild seiner äußeren Gestalt und sendet es im Moment der geschlechtlichen Vereinigung der Eltern nieder; ein erleuchtetes Auge würde über ihren Häuptern jenen geistigen Doppelgänger des zukünftigen Menschen gewahren. Man glaubt in dem Tempel von Luxor zu stehen, in dem die Zeugung des Königs so dargestellt ist, daß der Gott auf der Töpferscheibe zunächst seinen ka formt.

2) Auch in der Zauberliteratur wird der Philologe z.B. in den Amuletten aus der Schule des Eleazar von Worms (XII. Jahrhundert, Karppe, Les origines du Zohar 285. 286) auf den ersten Blick das starke Hervortreten der ägyptischen Zauberzeichen erkennen.

3) Analecta sacra et classica part. II p. 279—299.