Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

202 VI. Das Hermetische Corpus.

allgemeine religiöse Empfinden übergetreten, wie aus der Vision des Nechepso ein öfters vorkommender Traum geworden ist.!) Die später zu besprechende allgemeine Vorstellung von dem daiuwv mäpedpoc der heidnischen Propheten wirkt außerdem mit ein. Homer und Hesiod sind tatsächlich in die Stellung der „Propheten“ gekommen. Das beruhte zunächst auf der Geschichte des Unterrichtes und der maıdeia, scheint aber schon in der allegorischen Deutung der Stoa sich so zu steigern, daß wir an einen gewissen Einfluß des Orients und des Begriffes der Offenbarung denken können.

Als der Redner wieder mit dem Poeten zu wetteifern begann, überträgt sich diese halbästhetische Theorie auch auf ihn. Ihren Einfluß zeigt die reizende Anekdote bei Seneca Vater (Suas. III 6): Nicetes suo impetu valde Graeeis placuerat. quaerebat a Gallione Messala, quwid illi visus esset Nicetes. Gallio ait „plena deo“. quotiens audierat aliquem ex his declamatoribus, quos scholastici caldos vocant, statim ‚dicebat „plena deo“. ipse Messala numquam aliter llum ab novi hominis auditione venientem interrogavit, quam ut diceret: „numquid plena deo?“?) Ernster wird der Anspruch des Redners deod UnopNTnc zu sein, als Rhetoren in iepoi Aöyoı für die älteren epideiktischen Reden der Philosophen bei Festen eintraten.°) Aristides, der sich den Anschein zu geben sucht, als ob er derartige rhetorische emideiZeic aufgebracht habe, hebt öfters sorgsam hervor, daß die Rede auf Eingebung des Gottes oder gar im Zustande des evBoucıacuöc gehalten

Ausbreitung des Christentums 103) minder wahrscheinlich, die Besessenen möchten bei den Exorzismen manchmal den Namen „Apollo“ oder den der Musen ausgestoßen haben. — Das Ineinanderfließen religiöser und ästhetischer Vorstellungen zeigt sich besonders gut in der Verallgemeinerung der Vorstellung der uvernpia und reAerat der Musen, die der Dichter dem Reinen erschließt. Auch sie wird später von den Rhetoren aufgenommen, freilich meist zur inhaltleeren Phrase verblaßt. Wieder nach anderer Seite führt Horaz’ berühmter Ausspruch: spiritum Phoebus, mihi Phoebus artem carminis nomenque dedit poetae. Die Verweisung auf Od. II 16,37: parva rura et spiritum Graiae tenuem Camenae genügt nicht ganz; die Vorstellung von dem mveüua (deiov) wirkt, wenn auch verdunkelt, mit ein.

1) Vgl.S. 5A.1. Zur poetischen Formel verblaßt zeigen sie die Fasti Ovids.

2) Auch bei Horaz sind sich ja spörtus und ars entgegengesetzt.

3) Als charakteristisch für den hellenistischen Betrieb hebe ich den schon von Philon aus der Alexandergeschichte entnommenen Brief des Kalanos hervor (Quod omn. prob. l. 460 M): ‘EMvwv dE @iAocöpoıc oDK eEouorouueda Öcol aurWv Elc mavnyupıv Aöyouc EueAerncav.

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