Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

Der Ev8ouciacuösc bei dem Redner. 203

ist. Daß er selbst das ägyptische Prophetentum kennt und jene ekstatischen Träume und Visionen des ägyptischen Heilkults durchgemacht hat, darf man immerhin betonen. Im ganzen bleibt die Theorie selbst in dieser Steigerung noch halbästhetisch; nur zur Hälfte nimmt sie die religiösen Vorstellungen, die sich inzwischen entwickelt haben, in sich auf. Es ist doch noch etwas anderes, wenn nach der Überzeugung der heidnischen Naassener der Sänger, der beim Fest im Theater auftritt, unter Einwirkung der Vorsehung, o0K eidinc & Aeyeı, göttliche Offenbarung verkündet und ein Prediger nun ein derartiges Lied als heiligen Text erklärt.!) Hier scheint mir eine weitere Steigerung der griechischen Begriffe vorzuliegen, die sich nur aus einem orientalischen Glauben an eine fortwirkende Offenbarung erklären läßt. Der Wödöc und der npopnrnc, beide müssen in dem Kult eine stärkere Rolle gespielt haben; die Predigt muß ein fester Bestandteil des Gottesdienstes gewesen sein.?) Man vergleiche mit jener Theorie der heidnischen Naassener die Schilderung des christlichen xapıcua im Hirten des Hermas (Mand. X19): ötav oüv eAdn 6 Avdpwroc 6 Exwv TO veüuu TO deiov eic cUVAYWYNV AvdpWv dıkalwv TÜV EXOVTWVY Trictiv BeIoU TTVEULATOC Kal Evreuvfic YEvnTaı TrPöc tov Beöy TNC cuvaywyic TWV AvdpWv Ekeivwv, TOTE 6 Ayrekoc ToÜ TPOPNTIKOU TTVEUHGTOC Ö KeilLEVOC TTPÖC KUTOY TrÄNpOI TOV dvßpwrrov, Kai rANpWBeic 6 Avßpwrroc TW mveuuarı TW Ayiw Aakei eic TO mANBoc, kuhinc 6 küpıoc BouXeroı. In christlicher wie heidnischer Anschauung ist dabei der Prophet nur das Instrument, auf dem Gott spielt. Dasselbe Gleichnis, welches die ganze uns vorliegende Rede beherrscht, verwendet Montanus (Epiphan. Haer. XLVII 4): ido0 6 &vepwrroc Wıcei Aupa Kay Eepintoucı Wcei mArktpov, und eben dies Gleichnis verwendet mit

1) Der Unterschied ist natürlich sehr viel geringer als etwa der zwischen der kirchlichen Inspirationslehre und Schillers Auffassung des &vAoucıacuöc im Grafen Rudolf von Habsburg oder der Macht des Gesanges; aber ganz überflüssig ist der Vergleich nicht.

2) Hierauf weisen ja auch die „Predigten“ des Hermetischen Corpus. Ohne „Walten der Vorsehung“ vollzieht sich freilich auch der Unterricht des Einzelnen nicht. Der Lehrer darf nur, wenn der Gott es ihm befiehlt, seine Geheimnisse enthüllen (Apuleius Metam. XI 21. 22), oder er erkennt in den Fragen des Schülers den Willen der Vorsehung; vgl. Hermes bei Cyrill Contra Iul. I 556 Migne: ei ur mpövod Ic AHV TOD mdvruv kuplou WcTE HE TÖV AöyYov TOUTOV drokakuyaı, oVde Ünäc vOv Epwc ToLoÜToc Kateixev, va mepi toutou Zntnenrte (vgl. die Fortsetzung mit der Naassenerpredigt) und vgl. Pseudo-Apuleius Ascl. 1.