Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

212 VI. Das Hermetische Corpus.

der Gründungsgeschichte und Lehrdarstellung notwendig machten.') Die Einlagen selbst geben hierfür einen gewissen Anhalt. Die erste und größte ($ 6—8, vgl. S.33#f.) bringt den ägyptischen Pantheismus und eine Form der Logos-Lehre zum Ausdruck, die wir allerdings bis über die Grenze unserer Zeitrechnung hinauf verfolgen können, die aber auch in jüngeren Hermetischen Schriften stark hervortritt. Besonders zeigt die zweite, jüngere Schrift der Poimandres-Gemeinde (Kap. XII, bezw. XIV), zu deren Betrachtung wir im nächsten Abschnitt übergehen werden, eine ausgebildete Logos-Lehre. Der Logos ist der Mittler zwischen Gott und dem Menschen; jedes rechte Gebet muß dureh ihn Gott dargebracht werden ($ 21); er ist der Sohn Gottes und zugleich das überirdische Wesen, das bei der Wiedergeburt in dem Menschen entsteht, d. h. aus den einzelnen duvaueıc deoü zusammengesetzt wird. Diese jüngere Schrift wurzelt ferner ganz in dem ägyptischen Pantheismus. Die Spuren des Dualismus sind fast völlig beseitigt.?) Ferner erscheint als eine Art Hypostase die BouAn deoü, die als Person der Gottheit auch in jener Einlage des Poimandres begegnet. Der Abschwächung des Dualismus dient auch die zweite Einlage ($ 24, vgl. S.51), welche zugleich die Verbindung der Laster mit den Planeten- bezw. Sphärengeistern aufhebt. Endlich ist aus der Erscheinung des Poimandres-Noüc die rein menschliche Beschreibung gestrichen; er ist Ümepuerednc uETpW ATEPIOPICTW TUYXAvWV geworden, genau wie im XIH. (XIV.) Kapitel der vergöttlichte Mensch dkataAnntoc und dcxnudrıcroc wird. Seine Aufgabe ist nieht mehr den einzelnen Menschen zu führen und zu hüten; nur als Spender der göttlichen Offenbarung steht er noch an der Spitze der Reihe, wie die ägyptischen Offenbarungsgötter; aber durchaus nicht alles hat er offenbart ($ 15); er weiß, daß sein Schüler aus eigener Kraft vermögen wird mAvra vociv Kal GKOVELV &v BouAetaı Kal Opdv TA TTÜVTO.

1) Daß Ähnliches mit der KxAeic geschehen sein muß, habe ich oben $. 196 A. 2 betont; von der Köpn xöcuou gilt das Gleiche.

2) Nur daß die Sterne, und zwar hier die im Ägyptischen stärker hervortretenden ZWwöta, Urheber des Schlechten im Menschen sind, ist als Rest jener rein dualistischen, nicht-ägyptischen “Av&pwroc-Lehre geblieben. Wir sehen, daß Zosimos, dessen Zeit ja nach den obigen Darlegungen sicher nach dem Entstehen der XII. (XIV.) Schrift fällt, zwar die “Avöpwrroc-Lehre wieder übernimmt (übrigens nicht aus dem Poimandres, sondern aus anderen Hermetischen Schriften), aber dem dualistischen Systeme des Mani glühendsten Haß

enteegen zu bringen scheint (vgl. oben S. 105).

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