Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

216 - VO. Die jüngere Poimandres-Schrift.

Wir werden annehmen müssen, daß zu dieser Verdunkelung des Religionsstifters und dem Einsetzen des Hermes eine nicht unbeträchtliche Zeit erforderlich war, wenn auch die im Eingang des vierten Abschnittes besprochene Neigung des Ägypters, auch in der historischen Person die Wirkung oder gar Verkörperung eines Gottes zu sehen, dies erleichtern mochte. Aber eine gewisse Zeit war unbedingt auch notwendig, ehe man in den weiteren Kreisen der Hermes-Gläubigen die ursprüngliche Sonderexistenz der PoimandresGemeinde vergessen und ihre Schriften so unbefangen mit unter die sonstigen Gottes-Offenbarungen aufnehmen konnte, wie das in unserem Corpus geschehen ist. Ist dies gegen das Ende des dritten Jahrhunderts zusammengestellt und fällt die Abfassung des Poimandres und des erwähnten Teiles der Tevıkoı Aöyoı vor den Hirten des Hermas, so werden wir unser Kapitel etwa in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts setzen dürfen.‘) Die Unsicherheit dieser Datierung empfinde ich selbst und füge hinzu, daß der, dem es gelänge die Zeit dieser Schrift sicherer zu bestimmen, eines der wichtigsten Daten der gesamten Religionsgeschichte gewinnen würde. Der Gang des Dialoges ist wohl klar, zumal größere Interpolationen nicht vorliegen. Der Leser darf sich davon nicht befremden lassen, daß Tat die ersten allgemeinen Andeutungen des Hermes so gar nicht begreifen kann; der Verfasser will ja hervorheben, daß das Verständnis dieser Geheimlehre nur von Gott gegeben werden kann, und vermag die vorangehende Blindheit und Verständnis-

ihnen vertröstet der Priester den drängenden Mysten lange auf spätere Zeit, bis der Wille der Gottheit (tö 8&Anua in unserem Kapitel) sich dem Hierophanten wie dem Mysten offenbart habe (21. 22); auch in ihnen gibt es einen Teveaovpydc TC madıyyeveclac (25: complexus Mithram sacerdotem et meum iam parentem). Das XII. (XTV.) Kapitel gibt nur das theologische, von der Kulthandlung losgelöste Spiegelbild. Von christlichen Einflüssen wird auch hier nicht die Rede sein können. So gibt jenes Zitat aus den Tevıroi Aöyoı, das ja auch schon durch sein Alter gegen diese Vermutung gesichert sein müßte, undeva dbvacdımı cwenvaı mpd fc malıyyeveclac das Gegenstück zu dem Johanneischen Herrenwort (3, 3): &av un TIc Yevvnonj ävwbev, ol duvaraı ideiv rrv Bacıkelav ToU Geo.

1) Daß die Auffassung der Prophetie bei dem Redaktor der Sammlung und bei Zosimos wieder sehr viel nüchterner geworden ist, mag ebenfalls für einen längeren Zwischenraum zwischen unserem Kapitel und dem Abschluß der Sammlung sprechen.

ee