Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur
14 I. Alter des Poimandres.
Aus den Volksvorstellungen der hellenistischen Zeit müssen wir diese Visionen erklären; sie lernen wir am klarsten aus den Zauberpapyri; nur zeigen sie uns diese Vorstellungen in anderer Wendung und führen im allgemeinen in eine niedrigere Sphäre als die eigentlich theologischen Schriften. Den Ausgangspunkt werden die Gebete geben müssen, die z. T. wenigstens ohne Rücksicht auf den Zweck der magischen Handlung aus älteren Quellen übernommen und für sie nur durch Aufnahme unverständlicher Formeln überarbeitet sind. Wenn sich in diesen Formeln jüdische Gottes- und Engelnamen finden, so beweist das zunächst nichts für die Herkunft des Gebetes.!) Wichtiger sind die nicht eben häufigen jüdischen Einlagen im Text, die freilich in den meisten Fällen die zu Grunde liegenden ägyptischen Anschauungen nur wenig verdunkelt haben’°);
1) Den vollen Beweis liefern die Zauber selbst, doch mag ein kurzes Wort der Orientierung für einen oder den andern Leser nicht überflüssig sein. Neben der ägyptischen Magie steht seit der hellenistischen Zeit als zweites gleichberechtigtes und gleichverbreitetes System die jüdische. Die Beschwörungen geschehen im Namen des Gottes Israels oder einzelner Engel; im ersteren Fall schließen sie gewöhnlich an Exod. 3, 6; es ist der 8eöc "Aßpaau kai Bedc Icask kai Bedc ’lakuıß. Auch die Anrufung der Erzengel schloß indirekt an diese Stelle; die später zu besprechende BißAoc dpxayyekıkr) des Moses ließ Gott bei jener Begegnung den Moses die Namen und Anrufungsformen auch der Erzengel lehren. Der ägyptische Magier übernimmt die mystischen Worte, die ja nach allgemeiner Anschauung nicht übersetzt werden dürfen (Origenes Contra Cels. V 45), und verbindet den ägyptischen und den jüdischen Gott, und zwar in der Regel so, daß er die Worte ’Aßpadu ’Icaak ’laxııß als den Namen dieses Gottes faßt (das hübscheste Beispiel bietet Dieterich, Abraxas 202, 31—203, 5), oder jeden einzelnen Patriarchennamen als Gottesnamen versteht; so sind, da der Magier sich als den Gott fühlt, den er anruft, auch die Versicherungen &yıb eiuı ’Aßpadu u. dergl. zu fassen. Beispiele bieten die Papyri und die von Heim (Jahrb. f. Phil. u. Päd. Suppl. XIX) gesammelten Incantamenta magica in reicher Fülle. Vergleichbar sind Behauptungen wie: law Zaßaue sei der Gottesname bei den Ichthyophagen (Heim a. a. O., S. 524), oder die einzige griechische Erwähnung Jesu (Wessely, Denkschr. d. K. K. Akad. 1888, S. 120 2. 3019): öpkiZw ce kard toD deo0 rwv “ERpalwv ’Incod. Sie zeigen nicht die Bekanntschaft mit der jüdischen oder christlichen Religion, sondern die Kenntnislosigkeit (vgl. auch Wilcken, Archiv für Papyrusforschung I 427),
2) So stark wie in dem erwähnten Gebet an Jesu den Gott der Juden sind sie selten, und doch begegnen gerade hier die törichtsten Mißverständnisse; auch hier können wir Stücke des ursprünglichen ägyptischen Textes leicht aussondern. Bedenkt man zugleich, daß diese jüdische Zauberliteratur selbst ganz der ügyptischen nachgeahmt ist, so wird man die üblichen Vorstellungen