Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

236 VI. Die jüngere Poimandres-Schrift.

in Millionen und aber Millionen Jahren der Ewigkeit. — In den Wolken lebend, hoch über Gott Schu, läßt er kreisen den Himmel. Er tritt hinein in alles Gehölz; er spendet Gedeihen den Früchten der Bäume(?); er öffnet das Sehen(?), offenbart seine Macht in allem Getiere von mächtiger Kraft. — Aller Seelen Schöpfer ist er. Man hört seine Stimme, doch unsichtbar bleibt er allen Wesen, die Odem einziehen. — Amon, die Seele des Schu, der in der Wolkenregion wanderte bei (seit?) der Trennung von Himmel und Erde. Siehe, erist fest in allen Dingen, das Leben, von dem man lebt in Ewigkeit.“

Denken wir uns diese Lieder in griechische Sprache und griechische Begriffe übertragen, wobei die alten Kultformeln notwendig eimen Teil ihrer Kraft verlieren und die Grundanschauung sich einheitlicher durehbilden mußte, so sind wir dem Pantheismus der Hermetischen Stücke ganz nahe gekommen. Auch das Verhältnis Gottes zu dem Menschen entspricht in ihnen altägyptischen Vorstellungen. Ich muß noch einmal an Bekanntes erinnern. Von jeher hat der fromme Ägypter geglaubt, nach dem Tode zu Gott zurückzukehren, selbst Gott zu werden. Von jeher hat er ferner in dem lebenden König den Gott oder Gottes Sohn gesehen. Daß der Totenkult einzelner Lehrer und Priester sich dazu erweiterte, daß man sie als Götter oder als Inkarnationen eines bestimmten Gottes empfand, haben wir früher (S. 118) gesehen. Seit ältester Zeit hat aber auch der ägyptische Zauberer sich als den oder jenen Gott bezeichnet!), ihn in sieh waltend oder wohnend und sich nur als dessen eidöwAov gefühlt. Es wird altägyptischer Vorstellung entsprechen, wenn in den Zauberpapyri behauptet wird, daß selbst der Leib des Menschen, in den der Gott eintritt, diesem ähnlich wird.) Um diese

1) Vgl. oben 8. 28. Ägyptische Texte bietet z. B. Brugsch, Rel. u. Myth. d. alt. Äg. 722 f.

2) Vgl. oben S. 21 Gebet IIT 11 und die Beschwörung des Hermes bei Wessely, Denkschr. d. K.K, Akad. 1893 8.39 Z. 570: xat &ußndı auroü eic tıv wuxnv (es handelt sich um einen Knaben), iva tumWcnta iv dddVATOV HOPPNV Ev PWri kpataıw Kal dpbdprw. Auch diese Anschauung hat auf die hellenistische Mystik weiter gewirkt. — Daß von den oben angeführten Vorstellungen viele sich auch bei anderen Völkern finden, verfolge ich wieder nicht; von Ägypten muß man bei Erklärung der Hermetischen Vorstellungen

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