Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

946 VI. Die jüngere Poimandres-Schrift.

sich wirken läßt, wird man wieder hierzu neigen. Sicher erscheinen mir die Einwirkungen in dem Gespräch Jesu mit der Samariterin und besonders in den beiden parallelen Erzählungen von Nathanael und Nikodemos, deren eine hervorhebt, wie der Noüc die Gedanken des Menschen kennt!), während die andere ihn als Lehrer der rakıryevecia zeigt. Gibt man eine solche Einwirkung einmal zu, so erheben sich weitere Fragen, wie weit diese Anschauungen die Art der Darstellung beeinflußt haben.

Lange ehe ich das ernste Buch von Wrede „Das Messiasgeheimnis in den Evangelien“ las, hatte ich mir die Stellen angemerkt, in welchen ein an sich klares, selbstverständliches Herrenwort den Jüngern rätselhaft erscheint, und in den beständigen törichten MiBverständnissen?) eine Manier, die Anlehnung an einen literarischen Typus finden wollen. In Kap. XIII (XIV) des Hermetischen Corpus glaubte ich ihn wiederzufinden. So wirkte es überraschend auf mich, als ich bei Wrede (S. 199) las: „So könnte man fast auf den Gedanken geraten, der Autor habe nähere Bekanntschaft mit dialogischer Literatur gehabt, in der die Reden der Hauptperson durch törichte Einwände der Nebenpersonen durchbrochen wurden.“ Wrede weist diesen Gedanken ab; eine Manier sei ja zweifellos vorhanden, aber daß sie keine bloß stilistische Bedeutung habe, sei ebenso gewiß; ihr Ursprung werde daher auch nicht in der Gewöhnung an eine literarische Form zu suchen sein. Der Einwand wird hinfällig, wenn wir aus der XII. (XIV.) Hermetischen Schrift nachweisen können, daß diese Form in den heidnischen Lehren vom Heiland und von der Erlösung vorkam und daß sie hier auf einer eigenartigen Auffassung des Mysteriums der Wiedergeburt beruht. Ich erinnere

dE Kai ÜUvNncW ce; We Euaurod Wv; We Exwv tı idlov; Wc AAAoc div; cu yüp el d äv ib, cd el ö Av now, cv et ö AvA&yw. Die Quelle der Vorstellung zeigt die Inschrift von London.

1) Vgl. die Einleitung des Poimandres, die Inschrift von London und die oben angeführte Stelle des Papyrus Insinger Col. XXXVI 5: „die Zunge, noch ehe sie gefragt ist, ihre Worte kennt Gott“.

2) Ich muß für das einzelne auf Wrede verweisen, dessen Urteil mir dem Laien bisweilen etwas zu scharf zu sein, aber in diesem Teile kaum fehlzugehen scheint. Daß ich dem Schluß des ganzen Buches nicht beizustimmen brauche, danke ich eben der Kenntnis der Hermetischen Literatur, die mir den Hauptteil so überzeugend erscheinen läßt.

7 FT ee En EEE Ein