Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

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Sprächliche und sachliche Entlehnungen. 305

Teilen des Orients dieselben griechischen Muster die Formeln für die religiösen Lehren gaben, ist ja in diesem Synkretismus von besonderer Bedeutung.

Die Einwirkung ist unbestreitbar (vgl. Beigabe I); aber man darf sie sachlich auch nicht überschätzen. Die Lehre von dem Übergehen der Menschenseele in Tierleiber war vermeintlich urägyptisch und kam durch die griechische Philosophie als angeblich altägyptische Tradition jetzt zu den ägyptischen Theologen zurück. Dennoch ist sie nicht durehgedrungen, sondern immer wieder bestritten worden. Nur soweit die nationale Tradition wirklichen Anhalt bot, übertrug man sie ganz in die griechischen Formeln.

Wie rasch sich diese Entwieklung vollzog, läßt sich einigermaßen aus der seit dem ersten Jahrhundert n. Chr. verbreiteten Überzeugung beurteilen, daß Platon und Pythagoras Schüler des Hermes oder ’Ayadöc daiuwv gewesen seien; sie erklärt uns zugleich, wie Jüngere Hermetische Schriften sich auch auf Platon, den Schüler des Hermes, berufen können.‘) Die Hermetische Literatur nimmt immer mehr philosophische Züge an; selbstverständlich werden auch Jüngere Philosophen mit einwirken; nur daß wir, soweit ich sehe, ihren Einfluß nirgends mit Scherheit nachweisen können. Es mag lockend sein, ein Wort wie das des Numenios (bei Eusebios Praep. ev. X118,21 ». 5395): Avri yap TAc MpocoVcnc TW deurepw (BEW) Kıvmcewc TMV MpocoUcav TU TPWTW CTACIV Pnui eivar Kivmcıv cUuPUToV, dp’ Ach TE TÜZIC TOD Köcuov Kal fi novn didıoc Kai i) cwrnpia Avaxeitaı eic ta öAa mit dem ähnlich pointierten Satz einer Hermetischen Schrift (X bezw. XI 11): n de vonth cräcıc kıvei nv ÖAıknv Kivncıv in Verbindung zu bringen. Aber das religiöse Empfinden, das in den Worten des Numenios liegt, ist älter, und die Gottesbezeichnung ö €ctWc, die er in dem nämlichen Zu men bringt, begegnet nieht nur in der II. (IIT.) Hermetischen Schrift wieder, sondern schon bei Simon von Gitta. Sie ist von den Vorselihagen vom TPWToC und deutepoc Beöc nicht zu trennen. Wir ee nicht mehr den Einfluß einzelner Männer, sondern nur die allmähliche Fortbildung bestimmter Ideen in den religiös interessierten Kreisen. Um die Mitte des dritten Jahrhunderts gibt die Hermetische „Philosophie“

1) Umgekehrt und doch ähnlich ist es, wenn Jüngere Neuplatoniker sich auch auf Hermes berufen.

Reitzenstein, Poimandres, 20