Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

66 II. Grundvorstellungen des Poimandres.

sich heraus hervorgehen lassen; auch er ist ja der, „der sieh sich selbst schafft“; aber ebensogut hat auch Ptah Atum und sich selbst erbaut; er ist dessen Leib.‘) Der wichtigste Teil dieses allgemeinen Ptah-Wesens oder Weltgottes ist Ptah der Große, der Herz und Zunge ist, jenes als Horus, dieses als Thot. Er ist als Zunge, als Wort, niedergestiegen, die diaxöcuncıc zu vollbringen; aber das Wort ist nur der aus der Person herausgetretene, gewissermaßen emanierte Gedanke. Thot und Horus sind unlöslich in Ptah verbunden.?) Die Vereinigung beider in der Osiris-Sage hat den Anlaß zur Einlage dieser ganzen Theologie gegeben. Daß dabei Thot der einzige Gott ist, an den eine speziellere Sage schon schloß, und daß er, bezw. die Zunge, besonders hervortritt, so daß man das Ganze wohl noch als Lehre von der Schöpfung durch das Wort bezeichnen kann, empfindet der Leser von selbst.

Für den Griechen, der solehe Lehre etwa hörte, mußte sich von selbst folgende Abfolge von göttlichen Wesen bilden: deöc (in allgemeinster Bedeutung und völlig zurücktretend) — dnuoupyöc oder dnioupyöc Noüc?) — endlich Noüc und Aöyoc. Das trifft in der Hauptsache wunderbar mit der Grundvorstellung im Poimandres zusammen; ja diese Übereinstimmung wird noch stärker, wenn wir erwägen, daß, wenn Thot nach der dıaxöcuncıc sich wieder mit Ptah vereinigt, er diese Ordnung von ihm getrennt, also von ihm entsendet oder emaniert, vollzogen haben muß. Der Verfasser hat die Anschauung, dab das Wort nur der heraustretende Gedanke ist und beide unlöslich zusammengehören, scharf zum Ausdruck gebracht. Hierdurch erklärt sich jene in der griechischen Schrift uns früher unerklärbare Angabe, daß der Aöyoc nach Vollziehung der diaköcuncıc zu dem ÖNMIOUPYOC Noöc zurückkehrt und mit ihm zusammen ein einziges Wesen ausmacht: emnöncev eVAUC EK TWV KATWEPEPWV CTOIXELWV 6 Tou Heoü

1) Dies scheint mir besonders aus $ 3 2. 57, verglichen mit dem Anfang, hervorzugehen.

2) Auch die anderen Götter vereinigen sich dank ihrer Tätigkeit in PtahAtum, denn Herz und Zunge regieren alles; ihnen dienen die aicAnceıc, durch sie handeln die Glieder. Hieraus erklärt sich die Behauptung der Hermetischen Schriften, daß die Vereinigung von voüc und Aöyoc das Leben ist.

3) Diese Bezeichnung für Ptah, den Gott alles Handwerks und aller Künste, der zugleich Weltschöpfer ist, hatte sich schon Brugsch ohne alle theologischen Erwägungen geboten. Sie war für den hellenistischen Hörer die

einzig mögliche.

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