Sadismus, Masochismus in Kultur und Erziehung

Sadismus, Masochismus in: Kultur u. Erziehung. 29

bemerkte ich. jedoch, daß: ein Teil dieses’ unnatürlichen Benehmens auf übermäßigem Schamgefühl beruhte. “Als ich eines schönen Tages der Dame erklärte, es sei mir weiter bei ihrem Verhalten unmöglich die Erziehung ihrer Knaben zu leiten, brach sie in helle Tränen. aus, sprach viel von'ihrem Kummer: sie habe ihren ältesten Sohn an einer Lungenentzündung verloren und müsse nun wegen des jüngsten Knaben schwacher Lungen im Auslande leben, wo sie aller ihrer Residenzgewohnheiten beraubt sei; ihre Nerven seien sehr’ mitgenommen usw., wenn ich die Kinder verließe, so. versetzte ich sie in die schwerste Lage u. dgl. — Nun war mir vieles klar und auch für meine Beobachtungen am Jungen hatte ich einen Halt.

Vor allem fiel mir ein öfteres, wie mir schien, grundloses Erröten des Knaben auf;. bald gewahrte ich, daß der Junge in allem. vollständig vom älteren Bruder abhing und selbständig nichts tun wollte; er ließ seinen Bruder, einen hübschen Jungen, nicht aus den Augen; wollte sogar zusammen mit ihm bei mir Stunden nehmen, was ich zu seinem und der Mutter Kummer und zur Freude des Älteren rundweg abschlug. So fand die erste Trennung der beiden Jungen, wenn auch nür auf zwei bis drei Stunden täglich, statt; dafür war mir der Kleinere lange Zeit gram. Das Verhältnis des Jüngeren zum Älteren war, alsob erihn in allem kontrollieren wolle, und zugleich war er bereit, ihm jeglichen Gefallen zu tun; ja es schien, als ob er darnach spähte, sich dem älteren Bruder zum Dank zu verpflichten.. Später erzählte mir der Vater eine Episode aus dem Leben der Knaben, welche vor drei bis vier Jahren stattgefunden hatte: Der Kleine langweilte den Älteren und dieser jagte ihn fort; darauf der Kleine: „Bitte, Hans, du kannst mich schlagen so viel du willst, aber spiele nur mit mir!“ —

Einst wurden beide Knaben zu einer bekannten Familie eingeladen, wo ebenfalls. zwei Knaben waren, im Alter von 12 und ı4 Jahren. Jedesmal vor diesem Besuch sah ich den Kleinen, welchen ich Klaus nenne, recht aufgeregt. Da mir die Schlauheit und Verstellung der Kinder, wenn es ihre geheimen Regungen betrifft, bekannt waren, begann ich auf großen Umwegen. mich an die Sache zu machen; ich sprach von der Krank-