Zwölf Tage auf Montenegro : Heft 1. Reisebericht

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Vielfältigen Steff zur Unterhaltung lieferten wiederum Kriege8geſchichten. Aus allen ſprach eine hohe Begeiſterung der Montenegriner für ihr Land und ihre Freiheit. Wenn ſie dieſe haben, fühlen ſie ſi ‘vollkommen glü>lih, und dieſe zu erhalten, wagen ſe den lezten Blutstropfen. Der Tod iſ ihnen kein Gegenſtand, wenn er fie nur im rühmlichen Kampfe trifft, und das Leben hat ohne Kampf faſt keinen Werth. Krieg iſt die Looſung! Wo er fehlt, treibt das unruhige Blut zu Streifzügen, um von den Türken Beute zu machen. Jhnen haben ſie ewige Feindſchaft gèſhworen, und deren Treuloſigkeit (mit der ſie nur noh vor kurzem montenegriniſche Anführer dur {<öóne Worte in ihr Gebiet verlo>t, und dann ermordet hatten), vergeſſen ſie nie; ja ſie halten es für eine gerehte Rache, wenn ſie ihre Feinde fortwährend beunruhigen.

Merkwürdig war mir die Schilderung, wie fich ein größerer Kampf entwi>elt. Kaum iſt der Ruf erſchollen: es haben ſich Türken ſehen laſſen! die Türken ſind da! ſo iſt auch die Nachricht in Cettigne. Man wartet geſpannt auf eine beſtimmtere Botſchaft. Da hört man ſchießen in der Richtung des Feindes; es wiederholt ſi<h auf eine beſtimmte Weiſe, no<hmals und mehrere Male, -die Berge hallen es wieder, und es iſt kein Zweifel mehr: die Türken ſind in die Grenze eingefallen! Aus der nähſten Umgebung ſind ſchon auf den erſten Ruf die Krieger herdeigeſtrömt, und wehren ſich, ſo gut ſie können. Aus dem ganzen Lande eilt die waffenfähige Mannſchaft zuſammen. *) Von Bergſpigen zu Bergſpizen fallen Schüſſe, und ganz Montenegro, vom Norden bis zum Süden, weiß, was vorgefallen iſt. Da ſieht man ſie eilen, Jung und Alt. Die jungen Burſchen holt Niemand ein; bald tauchen ſie hinter den Felſenblö>en hervor, bald ſind ſie hinter andern verſchwunden; Steine, die ſie flüchtig berührten, rollen an den Abgründen nieder, und ohne Aufenthalt durchfliegen ſie eine Ortſchaft nah der andern. Wo ſie paſſiren, läuft eine Anzahl knabenartiger Jünglinge mit ihnen, dieſer mit einem Piſtol, jener mit einem alten Hangyar

*) Die Anzahl der Krieger des Landes ſchäßt die Gerliza {dex montenegriniſhe Kalender) auf fünfzehntauſend Manns die ganze Bevölkerung auf Hunderttauſend Seelen.