Archiv für slavische Philologie : Jovanović, »La Guzla« de Prosp. Mérimée

Jovanovic, »La Guzla« de Prosp. Mérimée, angez. von Curcin.

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berg nicht vor 1823 kennen gelernt habe, da es erst durch den Tod des Lord Gleubervie in seinen Besitz geriet. Dieser Beweis ist mir nicht stichhaltig genug, und der sonstige Sachverhalt, wie ihn der Verf. auslegt, ist eher geeignet meine Behauptung in dieser Sache zu bekräftigen. Als Nodier nämlich im Jahre 1816 einen Artikel über Abbate Fortis in der »Biographie Universelle« erscheinen ließ, kannte er Rosenbergs »Les Morlaques« noch nicht, denn seine Angaben darüber waren falsch, was ihm eine maliziöse Berichtigung eines Zeitgenossen, A. A. Barbiers, einbrachte; diese erschien 1820. Nodier wurde davon, wie Herr Jov. sagt, empfindlich berührt (»piqué au vif«) und fühlte sich in seiner Belesenheit getroffen, gestand jedoch seinen Fehler ein. Was kann also leichter denkbar und wahrscheinlicher sein, als daß Nodier sich alle Mühe gab, das seltene Buch in die Hand zu bekommen; was übrigens für ihn, den Bibliothekar einer der größten Pariser Bibliotheken, nicht mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft gewesen sein dürfte. Ja es scheint mir sogar möglich, daß er gerade dadurch zur Abfassung seiner »Smarra« angeregt oder doch angeeifert werden konnte. Jedenfalls glaube ich nicht mit Herrn Jov. annehmen zu müssen, daß der eifrige und empfindliche Bücherfreund nach dem Geschehenen es dem Zufall überließ, ihm das gewünschte Buch in die Hände zu spielen. Es sind dies jedoch schon Einzelheiten und Kleinigkeiten, die prinzipiell nur insoweit von Belang sind, als sie die Frage berühren, ob derVerf. Grund genug hatte, bereits vorhandene Meinungen anzuzweifeln oder berichtigen zu wollen. Im übrigen beeinträchtigen alle meine Bemerkungen samt demjenigen, was noch im Buche des Herrn Jov. im Einzelnen an Tatsachen und Angaben zu ergänzen oder zu bemerken wäre, nicht in größerem Maße den Wert des schönen Werkes; bei einem so großen Buche wäre es anders kaum denkbar. Selbst meine Bedenken prinzipieller Art, die die wissenschaftliche Auffassung der Arbeit betreffen und die ich offen hervorgehoben habe, möchte ich nicht als Verurteilung verstanden wissen. Ich komme darauf zurück, weil man vielleicht das Vorgehen des Verfassers in Bezug auf Quellenangaben, wie ich es geschildert habe, deutscherseits zu streng beurteilen könnte; da möchte ich wiederholt betonen, daß es sich hier eigentlich um die Auffassung einer ganzen Welt von Gelehrten handelt, nämlich um diejenige, die in Frankreich noch immer gang und gäbe ist, daß aber dem gegenüber die Schrift des Herrn Jov. auch der guten Seiten der französischen Art Bücher zu verfassen im hohen Maße teilhaft ist. Überhaupt glaube ich, wenn etwas in dieser Hinsicht besonders hervorzuheben wäre, so ist es die wichtige Tatsache, die sich immer wieder auf drängt, wo deutsches und französisches Schrifttum zusammen in Betracht kommen : Die Franzosen und ihre Jünger schätzen noch immer nicht nach Gebühr den deutschen Fleiß und seine Errungenschaften, während die Deutschen noch immer nicht genug französisch lesen und das Französische lieben, um aus den französischen Büchern mehr Leichtigkeit und Geist in ihre genaue, aber trockene Forschung herüberzuretten. Erst die Kreuzung der in manchem so grundverschiedenen Geister der beiden Völker würde die idealste Mischung ergeben, und wer in beiden Schulen gewesen ist und aus beiden großen Quellen schöpft, dürfte noch am ehesten den Nagel