Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
Mannigfaltiges.
Ein gelóstes NMäthſel, — An der Heerſtraße von Neapel nah Nola liegt die Abtei Sanft Vito, Zweihundert Schritt davon entfernt, landeinwärts, erblite man im Jahre 1798 unvermuthet eine ſteinerne Säule von vier Ellen Höhe, die früher niht dageſtanden hatte. An der einen Seite der Säule nah Abend ſtanden in franzöſiſcher Sprache die Worte: „Am 1. Mai jeden Jahres, Morgens 6 Uhr, habe ih einen goldenen Kopf !“
Der 1. Mai des folgenden Jahres erſchien und mit ihm eine Menge Menſchen von nah und fern an der Säule, welche nebſt ihrem Kopf blieb wie ſie war und ſo unverändert auch die nädſten Jahre, obgleih ſi< an dem bezeichneten Tage immer wieder Neugierige einfanden, um das in Ausſicht geſtellte Wunder zu ſehen. Man begriff alſo, daß der Reim dieſer Worte ein anderer jein müſſe und erſchöpfte ſih in Muthmaßungen und Forſchungen, aber ohne allen Erfolg. Da kamen im Jahre 1816 andere Mönche mit einem neuen Abt in das Kloſter, welches dur< Vertrag an einen anderen Orden übergegangen war. Che der abgehende Prior die Abtei verließ, gab er noch Befehl , die Säule auszugraben, in der Hoffnung, einen Scha darunter zu finden, aber auch dieſe Erwartung erwies ſich als trügeriſch, und der räthſelhafte Obelisfk wurde wieder aufgeſtellt. Nicht beſſer erging es dem Nachfolger des Abtes und ſeinen Mönchen ; vergebens ſorſten ſie na< der Deutung der dunklen Worte und endlih nahmen ſie an, daß hier nur eine Myſtififation, eine Täuſchung vorliegen müſſe.