Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
Roma von Adolph Stre>fuß. 59
Herr vy. Oſternau faute Bertha zweifelnd an, aber er äußerte ſi< nicht, fondern fuhr in der Vorleſung des Briefes fort:
„Als ih heute Nachmittag von einem Bekannten die wunderbare Nachricht erhielt, erſchien ſie mix durchaus unglaubwürdig. Geſtern no<h hatte i< überall, wohin ih au< fommen mote, von nichts al3 von dem Tode des unglü>lichen Herrn v. Ernau gehört, ſein Name wax in Aller Munde, nux von ihm ſpra<h man. Die ſonder= barſten Gerüchte jagten ſich. Die Einen erzählten, ex fei das Opfer eines amerikaniſchen Duells geworden, die Anderen wollten wiſſen, er habe ſi<h aus Verzweiflung über eine unglü>liche Liebe das Leben genommen, wieder An= dere behaupteten, er ſei beraubt und ermordet worden; darüber, daß er todt ſei, waltete kein Zweifel. Seine Leiche var ja, wie allgemein bekannt war, in der Spree gefunden worden, allerdings verſtümmelt und entſtellt, ſo daß ſie faum mehr zu erkennen war, nachdem ſie viele Wochen im Waſſer gelegen hatte, aber Ernau’s Kammerdiener hatte den Sommeranzug, mit wel<hem die Leiche befſeidet war, als den ſeines verſtorbenen Herrn mit voller Sicherheit erkannt. Zum Ueberfluß hatte ſich in der Bruſt= taſche des Sommerüberziehers no< ein metallenes Viſiten= fartenetui vorgefunden, welches der Kammerdiener und der Geheimrath v. Ernau ebenfalls als das Eigenthum des unglü>lichen jungen Mannes rekognoszirt hatten. Der Geheimrath hatte ſo wenig Zweifel an der Jdentität der Leiche, daß er für dieſe ein pomphaftes Begräbniß ver-= anſtaltete, an welchem vor einigen Tagen ſich die geſammte