Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

Kriminal-Novelle von E. H. v. Dedenroth. 123

3.

Mutter und Tochter hatten ſtets im innigſten Ver= hältniß gelebt, nux Eines hatten Beide ſich geſcheut, der Anderen in voller Klarheit mitzutheilen, das wax die Schwere der Sorge, die das Herz Beider bedrü>te. Die Mutter hatte geglaubt, es Bertha verheimlichen zu können, daß ſie mit zitternder Angſt der Zukunft entgeagenſah, denn der Reſt ihres kleinen Vermögens war troß aller Sparſamkeit allmählig aufgezehrt worden und manche fleine Koſtbarkeit hatte ſie ſchon verkauft, um die Wirth= ſchaftsfoſten zu beſtreiten. Sie ſchwieg darüber, denn ſie fürchtete, Bertha ſtrenge ihre Kräfte ſhon mehr an, als es ihrer Geſundheit zuträglich. Bertha wiederum ver= Heimlihte es ihrer Mutter, daß ihre Hoffnungen ſich mit jedem Tage trüber geſtalteten. Sie hatte gedacht, durch Fleiß und Eifer es dahin zu bringen, daß man ihr höhere3 Honorar zahle, ſie hatte der Mutter geſagt, daß ſie, wenn ſie ſi< erſt einen Ruf als Lehrerin erworben, das Doppelte und Dreifache für die Unterrichtsſtunde erhalten fönne, aber ſie hatte es verſhwiegen, daß ſie inzwiſchen erfahren, wie die Konkurrenz ſolche Hoffnungen zu eitlen Jllufionen ſtemple, daß ſie ſogar ſchon zu niedrigerem Honorar Unterricht exrtheile, nur um ihre Schüler zu behalten.

Beide wollten einander die Sorge für die Zukunft er-= ſparen, aber ebenſo gut, wie es Bertha nicht entgehen fonnte, daß ab und zu ein Stü> aus den Sammlungen des Vaters verſchwand, und ie ſie exrieth, daß die