Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

Kriminal-Novelle von E. H. v. Dedenroth. 129

müthiges Weſen wie Thekla arxgwöhnen, die mix niht gönnt, daß thr Erwählter einem armen Mädchen eine Freude bereitet. Es hat ihm leid gethan, daß ih Ge= nüſſe entbehren muß, die für reiche Leute kaum noch etwas Beſonderes haben, für mich aber gleichzeitig eine Schule zur Fortbildung ſind.“

Bertha ſchilderte mit dieſen Worten Thatſachen nah einer Auffaſſung, die ſie bisher ohne weitere Prüfung ge= hegt; aber es war unverkennbar, daß ihr, ſchon während ſie die Schilderung entwarf, Alles in anderem Lichte erſchien, daß Gedanken ſie beſtürmten, welche ſie an dem, was ſie als Veberzeugung ausſpra<h, zweifeln ließen. Der for= ſchende Bli> der Mutter ſteigerte denn auch die Verwixr= rung, die ſi<h ihrer bemächtigte, es war ihr, als frage das Auge der Mutter, ob ſie die Wahrheit ſpreche, und ſie fühlte ſi dabei ertappt, daß fie, ohne es zu wollen, etivas geleugnet habe, was ſie jeßt plößlih wie eine Laſt auf ihrem Gewiſſen fühlte. Jn ihren Worten: „Wer jollte glauben, daß er den Bli> auf eine arme Lehrerin werfen könne,“ hatte ſi ſchon der Kampf verrathen, den ein plößli< auftauchender Gedanke in ihrem Inneren heraufbeſ<woren, ſie fonnte jeßt, als ſie geendet, der Mutter nicht in's Auge ſehen.

Frau Habel lächelte ſ{<merzli<h. Sie kannte das Herz ihrer Tochter und ſie hatte für das ſeltſame Benehmen derſelben feine andere Erklärung als die, daß Bertha eine Neigung, welche ihr Herz beſchlichen, niedergezwungen, daß Bertha, um die Lage ihrer Mutter verbeſſert zu ſehen, den ſchweren Kampf nicht ſcheute, der ihrem Herzen im=

Bibliothek. Jahrg. 1884. Bd, V1, 9