Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

Kriminal-Novelle von E. H. v. Dedenroth. 133

gen, war im Laufe der Jahre vernarbt, ſein Sohn machte ihm Freude, er hatte das Naturell, ſi<h mit Jedem zu vertragen, fſi leiht zu amüſiren, er war Gourmand und hatte die Mittel, ſich Delikateſſen zu kaufen — ihm fehlte alſo ni<hts, und wenn ex vertrauten Freunden erklärte, er halte das Leben, das er in ſeinem Hauſe führe, niht länger aus, fo lächelte man darüber, er fonnte es ja ändern, er wax ja ſein freier Herx. i

Dem iſt jedoch nicht ſo, der Menſch iſt nie ſein freier Hexx, ex iſ nicht nur der Sklave ſeiner Gewohnheiten, er iſt auh der Sklave ſeiner Fehler und — ſeiner Tu= genden, Die lebßte Bemerkung mag paradox klingen, aber hier kam ſie zur Geltung. Geſchwiſterliebe iſt eine LTugend, und dieſelbe beſaß Holzbrecher in ſo hohem Grade, daß er ihr ſchweres Joch wie ein Sklave trug. Es war ihm wie ein unantaſtbares Geſeß, wie ein Verhängniß, mit dem ex verwachſen, daß er ſi<h von ſeiner Schweſter nicht trennen dürfe, daß er ihre Launen ertragen müſſe. Minna Holzbrecher wax verwachſen, ſie hatte als Kind an der engliſchen Krankheit gelitten, fie war ein unglü>= liches Weſen geblieben, doppelt unglücklich, weil ſie ſtets durc Liebe verwöhnt, dieſelbe nie ſhäßen gelernt, und der Neid auf Glülichere ſie boshaft gemacht hatte. Sie verz ſchuldete es, wenn die Ehe Holzbrecher's oft getrübt wor= den, aber ſeit dem Lode der Frau Holzbrecher waren ihre ſ<limmen Eigenſchaften erſt ganz und voll zu Tage ge=treten, da hatte die Beſorgniß, thr Bruder könne wieder heirathen und ihr das Hau3regiment nehmen wollen, ſie auh argwöhniſch gegen dieſen gemacht.