Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

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unter dem Kopfliſſen der Köchin aber einen Roman aus der Leihbibliothek, den das Mädchen ſchon vorgeſtern hatte - zurü>geben ſollen, ferner unterm Bett ein tief herab= gebrannte3 Licht, es ſchien erwieſen, daß die Köchin des Abends im Bette geleſen. Fräulein Holzbrecher, ſ{<hon dux das lange Ausbleiben der Köchin gereizt, empfing dieſelbe, als ſie endlih kam, mit heftigen Vorwürfen, das Mädchen antwortete troßig, Minna tobte und die Scene endete damit, daß die Köchin auf die Drohung, weggejagt zu werden, exklärte, ſie wolle ſogleich den Dienſt verlaſſen, hier halte es ja Keiner aus, das wiſſe ja au< ſhon die Polizei. Das Mädchen pa>te ihre Sachen, Minna fonnte fich niht entſchließen, das Wort, mit dem ſie die plöß= liche Kündigung angenommen, zurü>zunehmen, ſie fühlte fich kräf ig genug, heute ſelbſt das Eſſen zu bereiten, und ließ das Mädchen gehen.

Die Zeit kam heran, wo Franz ſonſt immer zurüd>= fehrte, es fam heute darauf an, daß ex ſih zur rechten Zeit nach dem Geſindebureau begab, einen Erſabß zu engagixen, und er zögerte mit der Heimkehr. Fräulein Minna ward immer ungeduldiger, da kam die Botſchaft, ſie ſolle ihn heute nicht erwarten, und was ihr unter anderen Ver= hältniſſen ſchon auffällig, ungeheuerli<h erſchienen wäre, das erregte ſie heute doppelt — der Bruder vevleugnete die alte Gewohnheit, es mußte etwas ganz Beſonderes paſſixt ſein, daß er niht zum Eſſen kam.

Das böſe Gewiſſen ſicht Geſpenſter. War ihm ein Unglück begegnet, das er ihr aus Schonung verſchweigen ließ? Dann war ſie hilflos, von Ungewißheit gemartert.