Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

146 : Höheres Walten.

darum war ex auch in lebter Zeit oft ſo empfindlich, fo nachdenklich, ſo zerſtreut geweſen. Und Adolph hatte vielz [eicht dabei geholfen. Adolph haite ſchon dadur<, daß er unter dem Vorwande, näher bei ſeinem Geſchäft wohnen zu müſſen, das- väterliche Haus verlaſſen, ihr einen böſen Streich geſpielt. So lange er beim Vater gewohnt, hatten die Dienſtboten länger auêgehalten, er hatte heimli<h Trinkl gelder gegeben, den Leuten oft gütlich zugeredet, feine Freunde hatten Leben in's Haus gebracht. Damals hatte ihr das nicht gefallen, als er aber fortgezogen, hatten die Leute geſagt, er habe es au<h mit ihr niht aushalten können. Vielleicht hatte ex ſich jeht mit dex Tochter ſeines Chefs verlobt und ſeinem Vater vorgeſchlagen, zu ihm zu ziehen. Es wax in jedem Falle etwas geſchehen, was ſie nahe anging, dieſes Ausbleiben ihres Bruders war ſeltſam. Der böſe Traum exfüllte ſich.

Endlich hörte Minna die Korridorthüre gehen. Sie bebte in banger unruhiger Erwartung, in fieberhafter Er= regung.- Das Peinlichſte wax, daß ſie ihm gerade heute ſchon wieder mittheilen mußte, daß ſie ein Mädchen ent= - laſſen habe. Ungünſtiger konnte es ſich nicht treffen.

„Entſchuldige, daß ih Dich heute im Stich gelaſſen,“ begann Franz, der beim Eintreten nur ſcheu und flüchtig den Blick auf ſie warf, „aber wo iſt Selma?“

„Fout. Du biſt ja ſo vertrauensvoll, daß Du troß meiner Bitten die Mädchen nicht kontrolixſt. Selma Hätte uns das Haus anzünden können. J< fand ein nieder= gebranntes Licht unter ihrem Bett, und als ih ihr den Leichtſinn vorhielt, ſehte ſie mir den Stuhl vor die Thüre,