Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

150 : : Höheres Walten.

Es ſchellte an der Thüre, ein Dienſtmann brachte einen Brief an Herrn Holzbrecher, deſſen Adreſſe ſichtlich von einer Frauenhand herrührte. Dex Brief brannte Minna in den Fingern. Jhr Bruder erhielt nur ſelten Briefe, ſie kannte faſt alle Handſchriften der Perſonen, die mit ihm forreſpondirten, dieſe Handſchrift war ihr fremd, ihr Auge heftete ſich gierig auf das Billet, ſie zweifelte kaun daran, ‘daß es von der Dame herrühre, von der er ge= ſprochen.

Sie konnte der Verſuchung nicht widerſtehen, das Cou= vert wax nux in der Mitte verklebt, es ließ ſi< öffnen und dann dur Aufdrü>ken eines Siegels ſo ſ{<ließen, daß die That der Neugier nicht zu bemerken war.

Minna öffnete den Brief mit bebender Hand.

„Geehrter Herr,“ fo lauteten die Zeilen, die ſie in fieberhafter Erregung las, „Sie verzeihen, wenn ih mi beeile, Jhnen meine Antwort auf Jhr gütiges Anerbieten zuzuſenden, ehe Sie dieſelbe einfordern. Es handelt ſi für mi< um eine völlige Aenderung der Verhältniſſe, in denen ih lebe und auf denen meine Criſtenz und die meiner Tochter beruht. Nach reiflicher Ueberlegung kann ih ſelbſt bei dem höchſten Vertrauen auf Jhren Charakter mmeine und meines Kindes Zukunft nicht von den Zufällen abhängig machen, welche darüber entſcheiden, ob Jhnen der Plan, den Sie mix unterbreitet, konvenirt, ſobald ex in's Leben getreten iſt, und ob ih mi< in dex Stellung wohl fühle, welche Jhr gütiges Vertrauen mix bietet. F< wirde alsdann dur<h den Verſu<h Opfer gebracht haben, die zu tragen ih zu arm und deren Exſaß von