Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

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Kriminal-Nóvelle von E. H. v. Dedenroth. 1

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Der Leſex hat hiermit die Erklärung der Vorgänge, welche wix im exſten Kapitel unſerer Erzählung geſchil= dert, Minna hatte vielleicht feinen re<ten Begriff von der Gefährlichkeit des Giftes, das ſie in die Zuckerſchale gez ſchüttet, im wilden Rauſche der Leidenſchaft ſtand ihr nux das Ziel vor Augen, den Bruder daran zu hindern, daß er ſein Vorhaben ausführte, ſie dachte wohl niht an Mord, er ſollte nux erkranken, ſollte kennen lernen, was Schmerzen und Hilfloſigkeit" bedeuteten, ex ſollte ſie dann milder beuxtheilen, und dur< treue Pflege wollte ſie ihn wieder feſter an ſi< fetten.

Oder abex — wex vermag in das Menſchenherz zu ſchauen, wenn Leidenſchaften wild darin toben — ſie han=delte ohne jede Ueberlegung, nux vom Haß getrieben, und als die That vorbereitet war, fand ſie keine Gelegenheit mehr, dieſelbe rü>gängig zu machen, ohne ſi< als Verz brecherin zu entlarven.

Wer kann ſagen, ob fie Reue gefühlt, ob ſie mit ſich getämpft, oder ob ſie in dumpfer, düſterer Stimmung ge= ſchehen ließ. was einmal begonnen war, oder endlich, ob das Gift, welches ſi< in dem Herzen der Unglü>lichen geſammelt, ſie nicht in boshafter Schadenfreude triumphiz ren ließ, als die Nache ſi<h vollzog?

Als die Kriſis eintrat, als der Vergiſtete nah Hilfe rief und ſein Schmerzgeſtöhn bis in ihr Zimmer drang, da mochten Angſt, Schre>en und Reue vereint ihre Seele gefoltert haben, da hatte ſie ſich wie eine Wahnſinnige geberdet, hatte ſelber die Klagen ausgeſtoßen, die ſie von