Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

_KriminglNovelle von E H. v, Dedenrolh. 159

hatten, in der Nacht aufzuſtehen und nah der Küche zu gehen?“

Das Blut ſ{oß der Kranken in's Antliß. Sie ver= ſuchte ein Lächeln zu erzwingen. „J<h wollte, i< könnte das!” jagte fie. „J< auſſtehen! Noch dazu in dieſer Nacht! Du weißt, daß ih in fur<htbaren Krämpfen lag !“ wandte ſie ſi< zu dem Mädchen, als ſolle dieſes ihre Worte beſtätigen.

„VBeſinnen Sie ſi<,“ mahnte der Kommiſſär. „Die Angſt verleiht oft wunderbare Kräfte. Als Fhr Bruder nah Hilfe rief, ſind Sie doch vielleicht im erſten Schre>en aufgeſtanden. Jhre Antwort iſt ſehr wichtig. Sie haben es vielleicht vergeſſen, daß Sie in Jhrem Schre>en, in Jhrer Angſt nachgeſehen, was vorgefallen ?“

Die Kranke zögerte mit der Antwort, ſie ſchien zu ſhivanken, was ſie ſagen ſolle, und es lag eine düſtere troßige Entſchloſſenheit in ihrem Tone, als ſie entgegnete, daß ſie glü>li< wäre, wenn der Schre>en ſolche Wirkung auf ſie äußere. „Aber leider iſt dem nicht fo,“ fuhr ſie fort. „Wenn einmal die Lähmung eintritt, dauert es Tage, oft Wochen, bis ih mich erhole. J< konnte mic geſtern, nah dem Aerger, den i< gehabt, kaum bis an’s Bett ſ<leppen. J< ſühlte Schmerzen, no<h ehe mein Bruder Lärm machte, und war nicht im Stande, den Arm bis zur Klingel zu bringen. J< werde exſt meine Einreibung mehrmals anwenden müſſen, ehe i< die Beine wieder rühren kann. J< bin ein unglüdliches, ſieches, hilfloſes Weſen, ih habe das nie mehr gefühlt, als in dieſer Nacht, wo mic die Angſt um den Bruder verzehrte, obwohl ich