Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

99 Klippen des Glüds.

„O über dieſe jämmexrliche, ſhmachvolle Schwäche !* ſagte er zürnend. „Sie bannt mich in dieſen elenden Seſſel und doh iſt für mich jede Minute, die ih verliere, eine namenloſe Qual. Nicht einen Tag länger darf Frau v. Oſternau in ſo unwürdigen Verhältniſſen leben! Herr Storz ting, Sie müſſen mir einen Freundſchaftsdienſt eriveiſen!" Morgen, nein, heute noh mit dem Nachtkurierzug müſſen Siè nah Berlin reiſen; ich kann es ja leider nicht ſelbſt thun und vielleicht iſ es ſogar beſſer, daß Sie, dex alte Freund der Frau v. Oſternau, für mic handeln. I< gebe Shnen eine Anweiſung auf unſere Kaſſe mit, Sie können jede Summe erheben, die Sie für nöthig halten, um Frau vy. Oſternau eine ihrer würdige Cxiſtenz zu gründen und um es zu verhindern, daß Lieschen ſich erniedrigt zur bezahlten Dienerin. Niemals werde ih dies dulden! Eilen Sie, Freund Storting! Während ich den Brief an unſerei Kaſſixer und die Anweiſung ſchreibe, können Sie Jhre Vorbereitungen zur Reiſe treffen. Morgen früh müſſen Sie in Berlin ſein!“

Ein Lächeln glitt über Storting's Geſicht, ein ſreund= liches, herzgewinnendes Lächeln, aber doch ſchüttelte ex den Kopf, doch entſprach er dem Drängen Egon's zur Eile nicht.

„Ihr edelmüthiges , großherziges Anexrbieten iſt Jhrev wvürdig, Herr v. Ernau,“ ſagte er herzlich; „aber ih fürchte, es wird nicht angenommen werden. Meine Reiſe na Berlin, wo ihrem lebten Briefe nah Frau v. Oſternau ſich gar niht mehr befindet, würde vergeblich ſein, au< wenn ih die Dame dort no< träfe. Frau v. Oſternau würde Jhnen herzlich danken für Fhre Großmuth, aber ſie würde dieſelbe